Buch 1: MycoBrain – Tiefen des Betrugs

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ERZÄHLT VON HOSPES SI

Buch 1

MycoBrain – Tiefen des Betrugs

Ein Science-Fiction-Thriller über verborgene Systeme und künstliche Unsterblichkeit.

Hospes Si • © 2025

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Werk ist Teil der Trilogie „Erzählt von Hospes Si“.

Kapitel 1: Das uralte Artefakt – Teil 1

Der Monitor flackerte – dann sprang er an und durchzuckte die Dunkelheit der Unterwasserstation mit einem kränklichen grünen Licht.

Ein schrilles Signal durchschnitt die Stille. Kaum hörbar. Scharf genug, um zu schmerzen.

Eingehende Übertragung.

Auf dem rissigen Display begannen verzerrte Linien über den Bildschirm zu kriechen:

...Signal empfangen...
Integrität: KRITISCH
Störpegel: ÜBERSCHRITTEN

Dann –
Eine Stimme.
Menschlich.
Verzerrt. Gequält. Festklammernd an den letzten Fäden einer Verbindung, die aus den Tiefen des Meeres gerissen wurde.

„Hier ist Ren ‚Kompass‘ Wayland...“

Seine Stimme zitterte, als würde sie aus einem Ort gerissen, der von Angst durchtränkt war.

„Wenn irgendjemand das hören kann...“

Digitale Störgeräusche rauschten auf wie eine Welle und verschlangen den Klang.
Das System kämpfte darum, die Interferenzen herauszufiltern – doch das Rauschen war überwältigend.

Als die Stimme zurückkehrte, war sie kaum noch erkennbar. Zerbrochen. Hohl.

„MycoBrain... es ist nicht das, was wir dachten...“

Noch mehr Störgeräusche.

„Dieser Ort... wir haben uns alle geirrt. Atlantis... Atlantis ist nur ein Schleier. Eine Täuschung...“

Die letzten Worte wurden von der Verzerrung verschlungen, erstickten im Lärm.

Und dann –
Nichts.

Ein langes, hochfrequentes Pfeifen eines gebrochenen Signals.

...Signal verloren...
Nachricht archiviert.
Zugriffsstufe: BESCHRÄNKT

Der Bildschirm erlosch.

Der Raum fiel zurück in eine schwere, zähe Stille –
als wäre nie etwas geschehen.

Das System hatte die Nachricht empfangen.
Doch es leitete sie nicht weiter.
Nicht ohne direkte Autorisierung.

Direktive: AKTIV
Befehlsautorität: SKYLAR MONTGOMERY

Kapitel 1: Das uralte Artefakt – Teil 2

Die Wüste lebte vor Hitze.

Wellen aus flimmernder Luft tanzten über die Dünen und verwandelten den Sand in flüssiges Gold, das sich bis zum Horizont erstreckte. Die Sonne hing gnadenlos am Himmel, wie ein Richter ohne Erbarmen, und warf alles unter sich in scharfe, erbarmungslose Kontraste.
Wind kräuselte sich zwischen den Hügeln, zischte leise und hob Staub auf – als würde die Erde selbst gegen die Eindringlinge rebellieren.

Ren „Kompass“ Wayland hockte neben dem Eingang eines halb verschütteten Grabmals. Seine behandschuhte Hand schwebte über einer massiven Steinplatte, deren Oberfläche von Alter und Rissen gezeichnet war. Er studierte die in den Stein gemeißelten Symbole – Spiralen, kantige Runen und Zeichen, die kein Gelehrter jemals katalogisiert hatte.

Er blinzelte nicht.

Ren war hochgewachsen und drahtig gebaut. Die Hitze klammerte sich an ihn, doch er trug sie ohne Klage, wie eine zweite Schicht aus Disziplin.

„Was meinst du, Sphinx?“

Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, bedacht darauf, den Moment nicht zu stören.

Neben ihm neigte ein älterer Mann den Kopf, die Augen hinter dicken Brillengläsern verengt.
Professor Elias „Sphinx“ Haddad trug ein verblichenes, kariertes Jackett und einen sonnengebleichten Hut, der seit dem Kalten Krieg aus der Mode war. Seine Finger, dünn und spröde, fuhren ehrfürchtig über die uralten Markierungen.

„Sie sprechen von Toren...“
„Keine gewöhnlichen. Tore zu den Göttern. Ein Übergang zu etwas jenseits der menschlichen Welt.“

Seine Stimme zitterte leicht – nicht vor Schwäche, sondern vor Ehrfurcht.

Kompass stand aufrecht, den Blick über die Dünen gerichtet.
Der Wind zerrte an seinem Schal und erfüllte die Luft mit dem Flüstern von Sand, der über Stein schabte.

„Eine weitere Metapher,“ sagte er. „Oder doch mehr?“

Sphinx schüttelte langsam den Kopf, die Finger noch immer über die Glyphen gleitend.

„Es liest sich wie eine Warnung.
Als hätte jemand alles daran gesetzt, sicherzustellen, dass dies für immer begraben bleibt.
Dass diese Tore niemals geöffnet werden dürfen.“

Rens Stirn legte sich in Falten.
Solche Warnungen hatte er schon oft gesehen – auf Tempeln, Ruinen, in tiefen Höhlen des Dschungels. Immer dieselbe uralte Furcht.
Doch diesmal war es anders.

Diesmal lastete etwas auf dem Ort.

Etwas... stimmte nicht.

Er legte seine Handfläche auf die Steinplatte und schloss die Augen. Der Stein war heiß, trocken. Und doch – unter der Oberfläche – vibrierte etwas. Nicht physisch. Instinktiv.

Hinter ihm wartete der Rest des Teams, schweigend.

Ren drehte sich leicht um.

Fünf Seelen.
Jede von ihm persönlich ausgewählt.
Jede aus eigenem Willen hier.
Jede vertraut.

Jetzt warteten sie.

In Momenten wie diesem gab es immer einen Moment des Zögerns. Immer eine Wahl.
Doch Ren hatte seinen Frieden mit dem Risiko längst geschlossen.

Er erinnerte sich an seine Mutter – wie sie gestorben war, weil sie ihrer Wahrheit folgte. Und an die Schuld, die ihn seither nie verlassen hatte.

Aber das hier?

Das war größer.

Und es war es wert.

„Echo“, sagte er. „Scanner. Ich muss wissen, ob dahinter ein Hohlraum ist.“

„Bin dabei,“ kam die leise Antwort.

Ein junger Mann mit drahtiger Statur trat vor und zog ein tragbares Gerät hervor. Seine Finger glitten über das Interface, präzise wie ein Pianist bei einer zarten Melodie.

„Wusste doch, dass wir dazu kommen,“
murmelte eine weitere Stimme – weiblich, lebhaft, selbstsicher.

Rivet – Mechanikerin, Technikerin, Unruhestifterin – trat vor und schnallte sich in ihr Exoskelett.
Metallgelenke zischten, als sich die Servos an ihre Bewegungen anpassten.

„Wenn das Ding zu schwer ist, geb ich ihm einen Schubs,“
sagte sie grinsend.

Der Scanner summte leise.
Echo beugte sich über das Display.

„Da ist etwas. Hohlraum hinter der Platte. Ziemlich groß.“

Ren nickte nur einmal.

„Wir öffnen es.“

Rivet knirschte mit den Knöcheln – den menschlichen und den mechanischen – und trat in Position.

Sie legte ihre verstärkten Handflächen gegen den uralten Stein.

Eine Sekunde verstrich.

Nichts.

Dann –
Ein tiefes, ächzendes Kratzen, uralte Scharniere, die sich widerstrebend bewegten.
Staub wirbelte auf. Die Platte begann, sich zu verschieben.

Alle schützten ihre Gesichter, während Sand aus der Öffnung strömte. Die Luft füllte sich mit dem Geruch von Zeit und einem Hauch von Metall.

Als sich die Staubwolke legte, offenbarte sich ein schwarzes Rechteck vor ihnen.

Ein Eingang.

Ein Durchgang.

Ein Schlund ins Unbekannte.

Zum ersten Mal seit Tausenden von Jahren berührte Sonnenlicht die Schwelle des Grabes.

„Vorsicht,“ sagte Kompass. „Augen offen. Keiner stürmt vor.“

Er trat vor, die Taschenlampe in der Hand – und verschwand in der Dunkelheit.

Die anderen folgten ihm schweigend.

Drinnen fiel die Temperatur schlagartig um zehn Grad.

Kühl.
Trocken.
Still.

Die Luft legte sich um sie wie von Schatten durchtränkte Seide.

Ihre Lichter durchbrachen die Dunkelheit und fingen Fragmente von bemalten Wänden, Skulpturenreliefs und gemeißelten Nischen ein.
Die Details waren atemberaubend. Farben erhalten. Oberflächen glatt. Keine Ranken. Kein Verfall.

Unberührt.

Bewahrt.

Wartend.

„Unglaublich...“
flüsterte Sphinx.

Er trat an eine der Wände und ließ das Licht über eine breite Gravur tanzen.

Ein Sternbild.

„Sieht aus wie eine Karte des Nachthimmels,“
sagte er.
„Aber die Sternbilder sind... anders.“

„Nicht anders,“ erwiderte Kompass. „Andersartig. So muss der Himmel vor Tausenden von Jahren ausgesehen haben.“

Hinter ihnen kniete Doc am Boden, die Lampe auf die Ecken des Raumes gerichtet.

„Keine Lebenszeichen,“
sagte er.
„Keine Exkremente, keine Insekten. Nicht einmal Staub auf dem Boden. Steril. Als hätte hier nie etwas gelebt.“

Kompass nickte langsam.

Noch eine Anomalie.

Noch ein Punkt auf der wachsenden Liste der Unmöglichkeiten.

„Dieser Ort ist nicht nur ein Grab,“
sagte er.
„Es ist etwas anderes. Vielleicht ein Tresor.“

Sie drangen tiefer vor, jeder Schritt bewusst, jeder Atemzug gespannt.

Dann –

Ein Klicken.

Leise. Kaum hörbar.

Unter Rens Fuß.

Er erstarrte.

„Stopp,“
befahl er.

Alle hielten inne.

Eine Sekunde.

Zwei.

Keine Pfeile.

Keine einstürzenden Decken.

Stattdessen ein tiefes, mahlendes Geräusch von der Wand.

Eine Steinplatte glitt beiseite und enthüllte ein verborgenes Fach.

„Heute haben wir Glück,“
murmelte Doc und lugte vorsichtig hinein.

Etwas darin reflektierte sein Licht.

Er griff vorsichtig hinein und zog es hervor.

Es passte perfekt in seine Hand – als hätte es auf ihn gewartet.

Ein Würfel.

Perfekt glatt. Metallisch. Kalt. Etwa so groß wie ein Apfel.
Keine Nähte. Keine Knöpfe. Nur feine Linien – wie Adern – in die Oberfläche geätzt.

Er reichte ihn Kompass.

Ren nahm ihn mit beiden Händen entgegen.

Und spürte das Gewicht der Geschichte auf seiner Brust lasten.

„Was zum Teufel ist das?“
fragte Rivet und lugte über seine Schulter.
„Sieht nicht aus wie eine Schatzkiste... Wie öffnet man das?“

Er drehte den Würfel langsam, ließ das Licht seiner Taschenlampe über die Oberfläche gleiten.

Dann –
etwas veränderte sich.

Das Metall flackerte leicht.

Und Symbole begannen zu erscheinen.

Nicht eingraviert.

Hervortretend.

Als wären sie schon immer da gewesen, aber hätten erst jetzt beschlossen, sich zu zeigen.

Weiche Lichtpulse zeichneten sich entlang der geätzten Linien.

Lebendig.

„Ihr seht das auch, oder?“
flüsterte Kompass.

Sphinx stürzte so schnell nach vorne, dass er beinahe seine Lampe fallen ließ.

Sein Atem stockte.

Er erkannte die Schrift.

„Das kann nicht sein...“
murmelte er.
„Zwei verschiedene Sprachen. Auf demselben Objekt.“

Die anderen drängten sich näher.

Sphinx fuhr mit einem zitternden Finger über die Oberfläche.

Eine Seite: Keilschrift.
Eine andere: Ägyptische Hieroglyphen.

„Welche Sprachen?“
fragte Ren.

„Sumerisch-akkadisch... und klassisches Ägyptisch.
Die beiden ältesten bekannten Zivilisationen.
Sie existierten ungefähr zur gleichen Zeit. Aber sie kommunizierten nie.
Sie teilten niemals eine Schrift.
Sie so zusammen zu sehen... Das ist unmöglich.“

Kompass beugte sich näher über den Würfel.

Zwischen den Linien und Glyphen stach ein Symbol hervor.

Ein Gehirn, umhüllt von feinen Fäden. Wie Myzel.

Ihm stellten sich die Haare auf den Armen auf.

Er sah zu Rivet. Zu Echo. Zu Doc.

Alle spürten es.

Dies war kein gewöhnlicher Fund.

Dies war etwas anderes.

Etwas, das verborgen bleiben sollte.

Etwas, das darauf gewartet hatte, gefunden zu werden.

Kapitel 1: Das uralte Artefakt – Teil 3

Der Raum hielt den Atem an.

Der Würfel pulsierte sanft in Kompass’ Händen, seine Oberfläche lebendig von schimmerndem Licht durchzogen.
Die Linien entlang der Kanten waren keine bloßen Gravuren mehr – sie waren Kanäle, Leitbahnen uralter Energie, die auf Berührung, auf Anwesenheit reagierten.

Sphinx sprach bereits, doch es klang mehr wie ein Gebet als eine Analyse.

„Die Keilschrift liest sich als ‚Abzu‘.“
„Das ist der akkadische Begriff für ‚die Tiefe‘ – nicht einfach eine Tiefe, sondern die Ur-Tiefe. Der Abgrund.“

Seine Stimme war rau vor Unglauben.

Er drehte den Würfel langsam, während das Licht seiner Taschenlampe über die gegenüberliegende Seite tanzte.

„Und hier... die ägyptische Inschrift nennt ihn ‚Ta-Netjer‘.“

Er hielt inne, sichtlich erschüttert.

„Das Land der Götter.“

Stille senkte sich über den Raum.

Sogar Rivet hatte nichts Schlagfertiges zu sagen.
Selbst Echo, der sonst alles durch die Linse betrachtete, hatte die Kamera gesenkt.

„Zwei Zivilisationen,“
murmelte Kompass.
„Sprechen über Zeit und Sprache hinweg. Und sagen dasselbe.“

Er blickte erneut auf das zentrale Symbol – das Gehirn, durchzogen von filamentartigen Strängen, wie Pilzmyzel.

Es starrte ihn an.

Nicht mit Augen, sondern mit Absicht.

„Es ist eine Botschaft,“
sagte er.
„Hinterlassen. Versteckt. Wartend.“

Sphinx nickte langsam.

„Eine Warnung vielleicht.
Oder eine Einladung.“

Doc trat vor und ließ sein Licht erneut über die Wände gleiten.

„Hier ist noch mehr. Sternenkarten. Fresken. Aber es ist zu sauber. Zu still.“

Er kniete sich hin und strich mit einem Finger über den Stein.

„Kein Staub. Kein Verfall. Kein Fledermauskot. Kein Pilzbefall.
Das ist kein Grab.“

Er blickte auf, sein Gesicht blass.

„Es ist eine versiegelte Kammer.
Konserviert.
Wie ein... Tresor. Oder eine Kapsel.“

Kompass atmete tief aus, die Schwere der Entdeckung lastete auf seiner Brust.

Dies war keine gewöhnliche archäologische Stätte.
Dies war eine Flaschenpost – quer durch die Jahrtausende geworfen.

Und jetzt hatten sie sie geöffnet.

Er wickelte den Würfel vorsichtig in ein Tuch aus seiner Tasche und verstaute ihn in einem verstärkten Fach seines Rucksacks.

„Niemand sagt etwas,“
sagte er.
„Noch nicht.
Nicht bevor wir verstehen, womit wir es zu tun haben.“

Die anderen nickten. Keine Fragen.

Sie verstanden.

Dies war kein gewöhnlicher Fund.

Dies war eine Schwelle.

„Auf geht’s,“
sagte Kompass leise.

Sie kehrten zum Durchgang zurück und bewegten sich schweigend durch die Kammer.
Ihre Schritte hallten wie Flüstern aus der Vergangenheit.

Als sie den äußeren Tunnel erreichten, blieb Rivet kurz stehen und sah zurück.

„Es fühlt sich an, als würden wir etwas Unvollendetes zurücklassen,“
murmelte sie.

„Tun wir,“
antwortete Kompass.
„Und genau deshalb werden wir zurückkommen.“

Das Licht draußen war grell, als sie ins Freie traten.
Die Sonne brannte noch immer erbarmungslos vom Himmel herab.
Aber etwas hatte sich verändert.

Schweigend kletterte das Team die Düne hinauf.

Am Rand des Eingangs drehte sich Kompass noch einmal um.

Die Steinplatte stand offen – noch immer halb verschoben, wie der Deckel eines Sarkophags, der zum ersten Mal seit einer Ewigkeit aufgebrochen worden war.

„Rivet,“
sagte er.
„Verschließe es.“

Sie nickte, trat vor und legte ihre behandschuhten Hände auf die alte Oberfläche.
Mit der Kraft des Exoskeletts drückte sie die Platte zurück in ihre ursprüngliche Position.

Das Geräusch war schwer.
Endgültig.

Das Grab verschwand erneut unter Sand und Himmel.

Die Welt darüber würde wieder vergessen.

Und die Welt darunter würde warten.

Sie machten sich auf den Weg zurück zum Lager.
Hinter ihnen setzte der Wind ein und löschte ihre Spuren eine nach der anderen aus.

Sphinx hinkte leicht.
Doc schwieg.
Echo ging mit wachem Blick über den Horizont.
Rivet schritt neben Kompass – ausnahmsweise still, die Augen nach vorn gerichtet.

Als sie die letzte Düne erklommen hatten, warf Kompass einen Blick zurück.

Die Wüste begann bereits, die Vergangenheit zu verschlingen.

Doch seine Gedanken waren nicht beim Sand.

Sie waren in dem Rucksack auf seiner Schulter.

In dem Würfel.

In der Botschaft.

„Alles in Ordnung?“
fragte Rivet leise und wischte sich den Staub von der Wange.

Ihr Ton war beiläufig, doch ihre Augen waren scharf.

Er schüttelte leicht den Kopf, ein kaum wahrnehmbares Lächeln auf den Lippen.

„Nichts, was wir nicht bewältigen könnten.“

Sie nickte und ging weiter.

Er blieb noch einen Atemzug lang stehen.

Dann folgte er ihr.

Hinter ihnen heulte der Wind durch die Dünen und verwischte jede Spur.

Und vor ihnen, ungesehen, wartete die Wahrheit.

Begraben.

Geduldig.

Lebendig.

Kapitel 2: Die Offenbarung – Teil 1

Die große Halle der Universität Oxford hatte die Atmosphäre eines bevorstehenden Urteils.

Über den Köpfen warfen Kristalllüster goldenes Licht auf polierte Eichenvertäfelung, doch der Raum vibrierte bereits vor gespannter Erwartung—als stünde eine Enthüllung bevor, gewaltig, umstritten.
Ren „Kompass“ Wayland stand hinter der Bühne, verborgen hinter einem schweren Samtvorhang, den Blick auf das Artefakt in seiner Vitrine gerichtet.
Sein eigenes Spiegelbild flimmerte auf der polierten Glasoberfläche des Würfels.

Er atmete langsam aus.

Das ist es.

Monate der Ausgrabung, Übersetzungen, schlaflose Nächte mit alten Symbolen, Träume von Anerkennung—und die ständige Angst, sich geirrt zu haben.
All das hatte zu diesem Moment geführt. Eine einzige Präsentation, zehn Minuten lang, vor einigen der renommiertesten Archäologen, Historiker und Skeptiker der Welt.

Hinter dem Vorhang summte ein Flüstern wie ein Bienenschwarm.
Der Saal war überfüllt—kein freier Platz mehr. Medien, Wissenschaftler, Regierungsbeobachter und sogar einige Risikokapitalgeber hatten sich gedrängt, um das zu hören, was einige bereits als
Entdeckung des Jahrhunderts  bezeichneten.

Ren blickte zur Seite.

In der Nähe der ersten Reihe wartete sein Team, die Anspannung deutlich sichtbar.
Sphinx saß kerzengerade, der Stock über den Knien, das Gesicht unbeweglich, doch in den Augen loderte Erwartung.
Rivet tippte nervös an ihrem Ohrmodul herum und kaute auf ihrer Wange.
Echo justierte seine Kameravorrichtung, auf die Bühne fokussiert wie ein Scharfschütze.
Und Doc saß still, die Hände gefaltet, mit klinischer Ruhe ins Leere blickend.

Er musste ihnen nichts sagen.
Sie wussten alle, was auf dem Spiel stand.

„Professor Wayland?“
Eine Stimme flüsterte. Eine Assistentin gab ihm ein Zeichen.

Ren trat nach vorne.

Als er erschien, brandete höflicher Applaus auf—gerade genug, um seine Qualifikationen anzuerkennen, aber noch nicht seine Botschaft.
Er ging kontrolliert, gemessen, als stünde er nicht als Außenseiter unter Titanen.

Die riesige Projektionsleinwand hinter ihm erwachte zum Leben.

Ein gestochen scharfes Bild des Artefakts füllte die Fläche—silbergrau, verwittert, unmöglich.
Der Würfel glühte unter den Scheinwerfern, seine Kanten scharf und fremdartig, die Gravuren nur schwach mit bloßem Auge zu erkennen.

Ren legte beide Hände auf das Pult.

„Guten Nachmittag,“ begann er, seine Stimme ruhig, trotz des Drucks in seiner Brust.
„Mein Name ist Ren Wayland. Einige von Ihnen kennen mich als Kompass.
Ich habe die letzten fünfzehn Jahre meines Lebens mit dem Studium antiker Anomalien verbracht—Artefakte, Ruinen, Mythen, die nicht ganz in unser historisches Puzzle passen.“

Er drückte einen Knopf.

Das Bild zoomte heran. Eine Nahaufnahme der Oberfläche des Würfels.
Muster—geätzte Linien, wie Adern oder Leiterbahnen—wanderten über das Metall und liefen in ein einziges Symbol zusammen.

„Dies,“ sagte Ren leise,
„ist nicht nur ein weiteres Relikt.
Es ist eine Botschaft.
Und sie stammt nicht aus einer einzelnen bekannten Kultur.“

Eine neue Folie erschien—zwei antike Schriftsysteme nebeneinander.

„Auf einer Seite fanden wir sumerisch-akkadische Keilschrift.
Auf einer anderen: ägyptische Hieroglyphen.
Diese Sprachen existierten ungefähr im gleichen Zeitrahmen... aber niemals am gleichen Ort.
Niemals auf demselben Objekt.
Und sie waren nie dafür gedacht, gemeinsam gelesen zu werden.“

Der Raum verstummte.
Die Zuhörer lehnten sich vor.

Ren zeigte auf eine Kompositgrafik, die die Gravuren des Würfels mit einem stilisierten Gehirn überlagerte.

„Im Zentrum,“ sagte er,
„dieses Symbol—auf verschiedenen Flächen des Artefakts zu sehen—erinnert an ein menschliches Gehirn, umwoben von organischen Strukturen.
Filamentartig. Myzelartig.“

Einige blickten sich an. Andere flüsterten.

„Wir glauben, dass es sich um ein konzeptionelles Modell handelt.
Ein Netzwerk des Denkens.
Ein Bewusstsein—nicht an ein Individuum gebunden, sondern geteilt.
Und uralt.“

Er machte eine Pause.

„Und es gibt mehr. In den Texten finden sich Verweise auf ‚Abzu‘—Sumerisch für ‚die Tiefe‘—und ‚Ta-Netjer‘, das ‚Land der Götter‘ aus der ägyptischen Mythologie.
Diese Kulturen sprechen von Toren, verbotenem Wissen, von Wesen, die vor den Menschen wandelten.
Und dieses Artefakt könnte der erste physische Beweis sein, dass diesen Mythen etwas Reales zugrunde liegt.“

Die Luft im Raum wurde dichter.

Es wirkte.

Ren spürte die Veränderung—Neugier gewann die Oberhand. Zweifel wich dem Staunen.

Dann kam die Frage.

„Wollen Sie damit sagen, das stammt aus Atlantis?“

Aus dem hinteren Teil des Saals rief eine junge Stimme—eifrig, ungefiltert.

Der Name fiel wie ein Stein in stilles Wasser.

Rens Magen zog sich zusammen.
Er sah, wie Sphinx zusammenzuckte.

„Ich behaupte das nicht,“
sagte Ren, bemüht, die Stimme ruhig zu halten.
„Ich sage, dass wir etwas gefunden haben, das auf Kontakt—or eine Kontinuität—zwischen antiken Zivilisationen hindeutet.
Etwas, das dem bisher akzeptierten Wissen vorausgeht.“

Doch der Schaden war angerichtet.

Das Wort Atlantis schwebte nun über dem Raum wie ein Geist—und es rief seinen Jäger herbei.

Aus der fünften Reihe erhob sich ein großer, hagerer Mann in dunklem Anzug.

Ren erkannte ihn sofort.

Professor Michael Rivers.

Ein Mann, der seine Karriere damit verbracht hatte, Fälschungen, Scharlatanerie und Wunschdenken zu entlarven.
Er hatte Karrieren mit einem einzigen Leitartikel zerstört.
Einige nannten ihn ein notwendiges Übel.
Andere schlicht: ein Bastard mit Lehrstuhl.

Der Raum verstummte, als er zum Mittelgang ging und langsam zur Bühne trat.

„Herr Wayland,“
rief Rivers, seine Stimme trocken wie Sandpapier.
„Erlauben Sie?“

Ren zögerte. Der Würfel stand auf einem samtbedeckten Podest neben ihm.
Rivers fragte kein zweites Mal.

Mit Mühe öffnete Ren das Schutzgehäuse und hob das Artefakt heraus.
Er hielt es einen Moment länger, als nötig—dann reichte er es ihm.

Rivers drehte es in den Händen, mit scheinbarer Ehrfurcht.

„Die Verarbeitung ist hervorragend,“
sagte er fast aufrichtig.
„Ein schönes Stück. Hübsche Patina.“

Er hob es wie einen Kelch in die Höhe.

„Aber seien wir ehrlich: Das ist ein moderner Schwindel.“

Lachen—zuerst verhalten, dann zunehmend befreit—hallte durch den Raum.

Ren stand wie versteinert.

Rivers lächelte wie ein Raubtier.

„Sie wollen glauben, dass es antik ist?
Rührend.
Aber sehen wir der Realität ins Auge.
Moderne Lasertechnik, meine Damen und Herren.
Schauen Sie sich diese Kanten an—maschinenperfekt.
Das ‚Myzel-Gehirn‘?
Eine hübsche grafische Spielerei.
Symbolik, abgeleitet aus moderner Neurologie und Populärwissenschaft.“

Noch mehr Gelächter. Einige Applaudierten.

Sphinx saß wie versteinert, der Kiefer angespannt.
Rivet wirkte, als wolle sie aufspringen.
Doc schloss die Augen.

Rivers setzte seine Tirade fort, nun im Gehen.

„Und natürlich die unvermeidlichen Verweise auf ‚die Tiefe‘ und ‚das Land der Götter‘.
Sie könnten genauso gut ein Atlantis-Bild zeigen und Walsounds abspielen.“

Er ließ den Würfel in seine Handfläche sinken—mit einem dumpfen Geräusch.

„Wir haben das alles schon gesehen. Das Voynich-Manuskript. Die Dropa-Steine.
Jetzt: der Wayland-Würfel.
Die Öffentlichkeit liebt es—aber wir, als Wissenschaftler, haben die Verantwortung, der Fantasie nicht nachzugeben.“

Ren wollte etwas sagen, doch sein Hals war trocken.

„Ich habe nie behauptet, es sei—“
brachte er mühsam hervor.

„Atlantis? Natürlich nicht,“
unterbrach Rivers.
„Sie haben das Ihrer begierigen Zuhörerschaft überlassen.
Clever. Aber schlampig.“

Weitere Kameras klickten.

Ren wandte sich wieder dem Pult zu. Seine Hände zitterten.

Er sah zu seinem Team.

Rivet sah ihn an—ein stummer Appell: Sag etwas. Irgendetwas.

Aber er konnte nicht.

Er fühlte sich leer.

Ausgebrannt.

Und mit einem Schlag drehte sich die Stimmung im Raum—von Erwartung zu Spott.

Er trat vom Rednerpult zurück.

Dann, ohne ein weiteres Wort, verließ Ren Wayland die Bühne.

Kapitel 2: Die Offenbarung – Teil 2

Die schwere Eichentür fiel mit einem dumpfen, endgültigen Geräusch hinter ihm ins Schloss—und der Nachhall vibrierte in seiner Brust.

Draußen war der Innenhof leer. Die Nacht war unbemerkt hereingebrochen, und die alten Steine von Oxford glänzten im Schein einer zurückliegenden Regennässe.
Ren stieg mechanisch die Stufen hinab, sein Körper im Autopilot.
Die kalte Luft biss ihm ins Gesicht, doch sie brachte keine Klarheit—nur die taube Erkenntnis, dass er eben mitansehen musste, wie sein Lebenswerk vor Hunderten zerfiel.

In seinem Kopf klang die Stimme seiner Mutter nach—sanft, beruhigend, wie sie ihm Geschichten von versunkenen Städten und verlorenen Erkenntnissen vorlas.

„Sei vorsichtig mit dem, was du ausgräbst,“
hatte sie gesagt.
„Manche Wahrheiten bleiben aus gutem Grund vergraben.“

Er erreichte eine Bank am Rande des Rasens und ließ sich schwer darauf nieder.

Lange starrte er einfach nur auf das nasse Gras, die Fäuste so fest geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
Der Würfel—sein Artefakt—lag noch immer auf jener Bühne, wahrscheinlich reihum weitergereicht, verspottet, abgetan.

Damals, als sie ihn fanden, hatte er sich anders angefühlt.
Heilig.
Gefährlich.

Und jetzt?

Jetzt war er ein Witz mit Hashtag.

Er schloss die Augen.

Dann—Schritte.

Er blickte nicht auf.

„Kompass Wayland?“

Eine ruhige, weibliche Stimme.

Langsam drehte er sich um.

Die Frau stand wenige Schritte entfernt, teilweise beleuchtet vom goldenen Schein eines Fensters über ihnen.
Sie war groß, Mitte dreißig, trug einen eleganten grauen Anzug, der sich perfekt in die Schatten von Oxford einfügte.
Ihre Augen—dunkel, scharf, intelligent—richteten sich ohne Zögern auf seine.

„Ich bin nicht wegen eines Interviews hier,“
sagte sie.
„Und auch nicht, um zu lachen.“

Ren antwortete nicht.

„Ich glaube Ihnen,“
fügte sie hinzu.

Seine Stirn runzelte sich.

„Warum?“

Statt zu antworten trat sie näher und zog ein Handy hervor.
Sie tippte auf den Bildschirm und reichte es ihm.

Ren nahm es, ohne nachzudenken.

Ein Bild füllte das Display.

Eine Kugel—etwas größer als der Würfel—lag auf einem Samttuch.
Dasselbe unmögliche Metall, dieselben geätzten Linien.
Und in der Mitte, unverkennbar: das Symbol eines Gehirns, umwoben von pilzartigen Filamenten.

Sein Atem stockte.

„Es ist echt,“
flüsterte er.

„Wir haben sie vor Jahren gefunden,“
sagte die Frau.
„In einer Kammer unter einem Gebirgszug in Südamerika.
Andere Sprachkombination. Aber dieselbe Architektur. Dasselbe Metall.
Dieselbe... Botschaft.“

Ren blickte auf.

„Und ‚wir‘ sind...?“

Ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Skylar Montgomery. Sie können mich Sky nennen.
Ich leite eine private Forschungsinitiative.“

Er blinzelte.

„Initiative?“

„Nennen wir es so: Wir sammeln Wahrheiten, die Regierungen nicht wollen und die die Wissenschaft nicht verarbeiten kann.“

Sie machte eine kurze Pause, dann fügte sie hinzu:

„Und wir glauben, dass es noch mehr Stücke da draußen gibt.
Sie haben uns gerade einen Schritt näher an das Verständnis gebracht.“

Langsam stand Ren auf, das Herz schlug ihm bis zum Hals.

„Warum kommen Sie zu mir?“

„Weil Sie da oben nicht zurückgewichen sind.“
Sie nickte in Richtung der Halle.
„Sie haben die Wahrheit gesagt—selbst als sie lachten.“

Er sah weg.

„Ich fühlte mich nicht mutig.“

„Aber das waren Sie,“
sagte sie schlicht.

Stille dehnte sich zwischen ihnen aus, nur unterbrochen vom sanften Rascheln des Windes im Innenhof.

Dann sprach Ren.

„Wenn Sie das schon seit Jahren haben—warum zeigen Sie es nicht der Welt?“

Skys Blick verhärtete sich ein wenig.

„Weil die Welt noch nicht bereit ist.
Noch nicht.
Und vor allem nicht auf diese Weise.“
Sie deutete zurück auf das Gebäude.
„Sie haben gesehen, was passiert, wenn man nur ein Teil zeigt.
Stellen Sie sich vor, was sie mit zwei tun würden.“

Sie trat näher.

„Wir müssen nicht kämpfen, um recht zu behalten.
Wir müssen zuerst verstehen, womit wir es zu tun haben.“

Ren betrachtete ihr Gesicht.

Keine Arroganz in ihrer Stimme.
Keine Überheblichkeit.
Nur ruhige Entschlossenheit.

Und etwas anderes—Dringlichkeit.

„Sie glauben, dass es noch mehr gibt,“
sagte er.

„Ich weiß es,“
erwiderte sie.
„Wir haben drei weitere Standorte identifiziert—weltweit verteilt.
Jedes Mal kamen wir zu spät.
Oder sie waren zu gut versteckt.
Aber jetzt—mit Ihrem Artefakt—könnte sich ein Muster abzeichnen.“

Sie zögerte.

„Aber ich kann das nicht allein.“

Ren blickte auf das Foto, das noch immer auf dem Bildschirm leuchtete.
Die Kugel schien ein eigenes, lebendiges Pulsieren auszustrahlen.

Es war noch nicht vorbei.

Nicht einmal annähernd.

„Sie wollen zusammenarbeiten,“
sagte er langsam.

„Ich will zu Ende bringen, was wir beide begonnen haben,“
korrigierte Sky.

Er lachte leise—bitter.

„Ihnen ist klar, dass die akademische Welt mich gerade begraben hat?“

Sie nickte.

„Dann ist es Zeit, aufzuhören, nach ihrer Anerkennung zu graben.“

Zum ersten Mal, seit er die Bühne verlassen hatte, lächelte er.

Nur leicht.

Ein Funke.

„In Ordnung,“
sagte er.
„Ich höre zu.“

Sky drehte sich um.

„Kommen Sie mit.“

Sie gingen Seite an Seite durch das dunkle Universitätsgelände, vorbei an Torbögen und Kreuzgängen, die schon standen, lange bevor Amerika überhaupt existierte.
Ihr Schritt war ruhig.
Ihr Ziel klar.

Am Rande des Geländes wartete ein schlanker schwarzer Wagen.
Sky öffnete die Tür und bedeutete ihm einzusteigen.

Drinnen erleuchtete sanftes Licht ein minimalistisches, hochtechnologisches Interieur.
Der Motor summte fast lautlos.

Auf einem zentralen Bildschirm leuchtete eine Karte in kühlem Blau.

Im Zentrum: ein Punkt mitten im Atlantik.

„Koordinaten vom Artefakt,“
sagte Sky.
„Die Inschriften Ihres Würfels stimmen mit denen der Kugel überein.
Zusammen ergeben sie ein Richtungssystem.
Eine Art... uralter Kompass.“

Ren beugte sich vor.

„Das kann nicht sein.“

„Oh doch,“
sagte sie.
„Und der Ort, auf den er zeigt—der ist auf keiner Karte.
Weil er nicht an der Oberfläche liegt.
Er liegt darunter.“

„Darunter was?“

Sie sah ihn an.

„Unter allem.“

Er lachte kurz—ein Atemzug aus Unglauben und Aufregung, miteinander verstrickt.

„Sie scherzen nicht?“

„So ernst wie ein Herzinfarkt.“

Ren lehnte sich zurück, die Augen auf die Karte gerichtet, Gedanken wirbelten durch seinen Kopf.

Sein Geist fühlte sich an, als sei er aufgebrochen worden.
Die Scham, die Demütigung des Abends—sie waren noch da.
Aber jetzt kam etwas hinzu.
Etwas weitaus Mächtigeres.

Zweck.

„Ich brauche mein Team,“
sagte er.

„Sie werden es haben,“
erwiderte sie.

Er wandte sich zu ihr.

„Und Sie sind keine reiche Sammlerin mit einem Spielzeug-U-Boot?“

Skys Gesicht zuckte kaum merklich—gerade genug, um ein leichtes Schmunzeln zu verraten.

„Ich sammle nicht.
Ich will die Welt verändern.“

Ren ließ die Worte in der Luft hängen.

Denn tief in seinem Innern wusste er:
Die Welt veränderte sich bereits.

Sie waren nur die Ersten, die es sahen.

Kapitel 3: Zwei als Eins – Teil 1

Die Straße wand sich wie ein Band der Stille durch die Wälder nördlich von London.

Der schwarze Wagen glitt über den Kiesweg, der Motor kaum mehr als ein Flüstern.
Der umgebende Wald stand reglos, uralte Bäume drängten sich dicht heran, ihre Äste überkreuzt wie ein Dach aus Geheimnissen.
Schatten flackerten im Scheinwerferlicht, aber nichts bewegte sich.
Keine Menschenseele in Sicht.

Im Inneren des Wagens saß Ren „Kompass“ Wayland auf dem Beifahrersitz, die Augen zusammengekniffen, den Blick fest auf den Weg gerichtet.

Keine Schilder. Keine Tore. Keine Überwachungskameras.
Nichts.

Nur der Wald, der die Straße verschlang.

„Das alles gehört dir?“
fragte er.

„Das Land? Ja,“
sagte Sky Montgomery vom Fahrersitz aus.
„Die Wahrheit? Die gehört niemandem. Schon gar nicht etwas so Altem.“

Ihr Ton war gelassen. Unverblümt.
Als wären Jahrhunderte und Geheimnisse nur Werkzeuge in ihrem Arsenal.

Ren schwieg.
Er dachte noch immer an die Konferenz.
An das Gelächter.
An den Würfel in seiner Tasche, der sich anfühlte, als würde er glühen.

Atlantis war nur ein Vorhang...

Sky hatte gesagt, sie glaube ihm.
Hatte ihm Beweise gezeigt.
Ein zweites Artefakt.
Ein Zwilling.

Aber warum jetzt? Und warum er?

Sie fuhren unter einem Bogen hindurch—überwuchert, von der Zeit vergessen—und näherten sich einem Anwesen, wie es für Könige gebaut worden sein könnte.

Mächtige Steinwände ragten in die Höhe, rissig und verwittert.
Efeu klammerte sich in jede Spalte, als wolle die Zeit selbst das Gemäuer zurückholen.
Doch es gab keinen Verfall.
Kein Moder.
Nur Stille.

Der Wagen rollte aus. Sky stieg als Erste aus.

„Komm,“
sagte sie, während sie bereits ging.

Ren folgte ihr.

Die Luft hier fühlte sich anders an—dichter, als würde sie den Atem anhalten.

Im Inneren war das Herrenhaus kühl und schwach beleuchtet.
Marmorfliesen. Holzbalken.
Schwere Porträts mit hohlen Augen.
Aber Sky führte ihn nicht tiefer ins Haus.

Sie führte ihn nach unten.

Eine Steintreppe hinab.
Vorbei am Weinkeller.
Durch eine verstärkte Stahltür mit biometrischem Scanner.

Ein Zischen.
Die Tür öffnete sich.

Und die Welt veränderte sich.

Unter den alten Knochen des Anwesens lag etwas völlig Fremdes—

Ein Labor, das nicht in dieses Jahrhundert gehörte.

Eine Kathedrale der Wissenschaft.

Weiches weißes Licht pulsierte entlang der Wände.
Arbeitsstationen leuchteten mit Messwerten.
Schlanke Terminals blinkten mit Echtzeitdaten.
Luftreiniger summten leise in den Ecken, hielten die Luft trocken, sauber, steril.

Ren blieb an der Schwelle stehen.

„Das ist kein Labor,“
sagte er.
„Das ist ein Kontrollzentrum.“

Sky zuckte halb mit den Schultern.

„Heute ist das oft dasselbe.“

Ren drehte sich langsam, nahm alles in sich auf.

Das hier war nicht einfach Reichtum.

Das war Vorbereitung.

„Also,“
fragte er vorsichtig.
„Was genau tut ihr hier?“

Sky sah ihn kurz an, dann ging sie zu einem langen Tisch in der Mitte des Raums.

Ein Scheinwerfer beleuchtete einen samtgefütterten Sockel.

„Wir lösen Rätsel,“
sagte sie.
„Solche, die unter Zeit, Mythos und Angst begraben liegen.“

Sie trat zur Seite.

Und da war es.

Die Kugel.

Ren holte tief Luft.

Dasselbe Material wie der Würfel.
Dasselbe kalte Schimmern.
Dieselben feinen Linien, in die Oberfläche geätzt.
Und im Zentrum—
Dasselbe verstörende Symbol.

Ein menschliches Gehirn, eingebettet in ein Netz aus pilzartigen Fäden.

Myzel.

Seine Finger zuckten.

Er wollte sie berühren.
Musste es.

Aber er hielt kurz davor inne.

„Wo habt ihr sie gefunden?“
fragte er leise, den Blick nicht vom Artefakt lösend.

„Eine andere Expedition,“
sagte Sky.
„Ein anderer Teil der Welt.
Eine andere Reihe von Fragen.“

Sie hielt inne.

„Aber die Antworten... sie führen alle hierher.“

Langsam griff Ren in seinen Rucksack und zog den Würfel heraus.
Seine Hände zitterten—nicht vor Angst, sondern wegen etwas Tieferem.

Wiedererkennung.

Behutsam legte er ihn neben die Kugel.

Zwei Formen.
Zwei Hälften.

Sprachen dieselbe Sprache—über Jahrhunderte hinweg.

Und dann—

Der Würfel vibrierte.

Nur leicht.

Aber spürbar—tief im Innern.

Die Kugel reagierte.

Sie hob sich.

Ohne Drähte. Ohne Bewegung.

Einfach... schwebte.

Schwebte über dem Würfel, als hätte sie nur darauf gewartet.

Ren wich einen Schritt zurück.

„Das ist nicht möglich,“
flüsterte er.

Die Kugel begann sich zu drehen.

Aus ihrem Kern fuhr eine feine Nadel aus—dünn, scharf, schwach leuchtend.

Sie bewegte sich.
Zitterte.
Dann fixierte sie sich.

Als wäre sie aus einem Schlaf erwacht und erinnerte sich nun an ihren Zweck.

„Es ist ein Kompass,“
sagte Sky atemlos.
„Ein räumlicher Navigator.
Keine bloßen Richtungen auf einer Karte—sondern eine Ausrichtung im dreidimensionalen Raum.“

Sie sah ihn an.

„Sie waren nie dazu gedacht, allein zu existieren.
Sie aktivieren einander.“

Er starrte auf die leuchtende Linie, wie gebannt.

Durch Gestein.
Durch Kontinente.

Sie zeigte auf einen Punkt weit jenseits aller bekannten Karten.

„Weißt du, wohin sie führt?“
fragte er.

„Noch nicht.
Aber ich habe einen Verdacht.“

Er sah sie an.

Und etwas klickte.

Der Spitzname.

„Kompass.“

Es war nicht mehr bloß Ironie.

Es war eine Prophezeiung.

Er streckte die Hand aus und berührte die Kugel.

Sie drehte sich leicht unter seinen Fingern.

Aber die Nadel bewegte sich nicht.

Fest.
Unnachgiebig.

„Wir müssen ihr folgen,“
sagte er leise.

Sky nickte.

„Ich habe das Team bereits versammelt.
Schiffe. Ausrüstung.
Wir haben auf diesen Moment gewartet.“

Sie blickte zur schwebenden Kugel.

„Jetzt, da die beiden wieder vereint sind...
haben wir unseren Weg.“

Ren atmete aus.

Die Erinnerung an das Gelächter in Oxford war noch da.
Aber sie war klein geworden.
Fern.

Etwas rief sie weiter.

Etwas Altes.

Etwas Reales.

Und vielleicht...

Etwas Lebendiges.

Kapitel 3: Zwei als Eins – Teil 2

Die Kugel schwebte in vollkommener Stille.

Ihre Nadel zeigte weiterhin—unerschütterlich, unbeirrbar—durch Wände und Entfernungen, durch die Erdkruste selbst.

Ren stand davor, die Arme locker an den Seiten, atmete ruhig.

Alles, was er über das Artefakt zu wissen glaubte, hatte sich verschoben. Schon wieder.

„Also das ist es,“
sagte er.
„Die Richtung. Ein Ziel.“

Sky nickte, die Arme verschränkt, während sie die Anzeige auf dem Bildschirm hinter ihnen beobachtete.

„Koordinaten werden trianguliert,“
bestätigte sie.
„Gib ihm noch eine Minute.“

„Wohin?“
fragte er.

„Irgendwo im mittleren Atlantik.“

Sie drehte sich zu ihm, der Ausdruck in ihrem Gesicht nicht zu deuten.

„Ungefähr dort, wo Platon Atlantis verortet hat.“

Ren lachte fast—aber es war nur ein Hauch von Atem.

„Natürlich.“

„Gar nicht mehr so lustig, oder?“
sagte sie leise.

Er sah wieder zur leuchtenden Kugel.

Es wirkte noch immer nicht real.
Dass etwas so Altes—so Fremdes—wissen konnte, wo es hinzeigen musste.

„Du hast gesagt, dein Team hat die Kugel gefunden. War sie... so wie jetzt?“

„Im Ruhezustand,“
sagte sie.
„Bis jetzt. Wir haben alles versucht. Strahlung, Magnetfelder, Schallwellen. Nichts.
Aber als ich das Foto deines Würfels sah... hatte ich eine Theorie. Und sie stimmte.“

Sie trat näher.

„Sie wurden füreinander gemacht. Zwei Hälften eines Schlosses.
Jetzt müssen wir nur noch die Tür finden.“

Ein Schauer kroch Ren über den Rücken.
Nicht aus Angst. Nicht ganz.
Es war das Gewicht der Ahnung, dass jede Kindergeschichte, jeder Mythos, jedes geflüsterte Geheimnis womöglich auf genau das hingewiesen hatte.

„Atlantis war nie das Ziel,“
murmelte er.

„Nein,“
sagte Sky.
„Es war der Vorhang. Die Kulisse. Aber dahinter...“

Sie deutete auf die leuchtende Linie.

„...ist etwas anderes.“

Ein leiser Ton erklang aus dem nächstgelegenen Terminal.

Koordinaten gesperrt.

Die Anzeige leuchtete blau:

BREITE: 31,7°N — LÄNGE: 25,2°W
Tiefe: 4000 Meter
Status: Unbekannt

Ren starrte auf die Zahlen.
Der Atlantik.

Abgelegen. Tief.
Keine Insel. Keine Landmasse.

„Da ist nichts an der Oberfläche,“
sagte er.

„Eben,“
erwiderte Sky.
„Was auch immer es ist—es liegt darunter.“

Ren atmete aus.

„Das ist Wahnsinn.“

„Das ist Geschichte,“
sagte sie.

Stille senkte sich über den Raum.

In dieser Stille meinte er, das Rauschen des Meeres zu hören. Den Druck. Das Gewicht der Zeit.

Und dennoch… zeigte der Kompass weiter.

Sky ging zu einem seitlichen Terminal und öffnete eine Schublade. Darin lagen mehrere versiegelte Behälter.

Sie öffnete einen.

Darin: Satellitenkarten.
Ein weiterer enthielt kleine Phiolen—versiegelt und codiert.
Ein dritter: ein bio-verschlüsselter Chip.

Vorbereitet.
Alles an ihr schrie nach Vorbereitung.

„Du hast das alles geplant,“
sagte Ren und verengte die Augen.

„Ich habe darauf gewartet,“
entgegnete sie.

Er zögerte.

„Warum ich?“

„Weil du der Einzige warst, der nicht weggelaufen ist.
Du hast deinen Würfel ins Feuer getragen—selbst als sie lachten.“

Sie neigte leicht den Kopf.

„Und weil du etwas gesehen hast. Ich sehe es in deinen Augen.
Du bist bereits über die Schwelle gegangen.“

Er antwortete nicht.

Sein Geist raste—nicht aus Angst, sondern voller Erinnerungen.

Das Grab. Der kalte Stein. Die Glyphen.
Die Stimme seiner Mutter, wie sie ihm aus alten Texten vorlas und ihn warnte, vorsichtig mit begrabenen Wahrheiten umzugehen.

„Du glaubst wirklich, dass wir dort unten etwas finden?“

„Ich weiß es.“

Sie öffnete einen digitalen Ordner am Hauptterminal—Bilder flackerten über den Bildschirm:
Fremde Strukturen auf dem Meeresboden, Anomalien, magnetische Messungen, verlorene Signale.
Einige mit Zeitstempeln im Abstand von Jahrzehnten.

„All das stammt aus derselben Region.
Etwas ist dort unten.
Etwas, das die Welt ignoriert hat.“

„Oder vertuscht,“
fügte Ren hinzu.

Sie warf ihm einen Blick zu—halb Lächeln, halb Herausforderung.

„Spielt das eine Rolle?“

„Wenn es sich wehrt, ja.“

Das brachte beide zum Schweigen.

Schließlich wandte sich Sky vom Bildschirm ab.

„Ich will, dass du dabei bist, Kompass.“

Ihre Stimme wurde weicher. Sie benutzte selten Namen.

„Ich will, dass du mit uns gehst. Dass du hilfst, das zu navigieren.
Dass du Teil von etwas Echtem wirst.“

Er sah sie an—und etwas flackerte in seinem Blick.

Respekt?
Vertrauen?

Oder etwas anderes?

„Was verheimlichst du mir?“

Sie zuckte nicht.

„Gerade genug, um dich am Leben zu halten.“

Er hob eine Augenbraue.

„Beruhigend.“

Sie lächelte schwach, dann drehte sich zur schwebenden Kugel.

„Sieh sie dir an. Wirklich.“

Er tat es.

Und sah kein Gerät.
Keine Waffe.
Nicht einmal ein Rätsel.

Er sah einen Ruf.

Etwas Uraltes hatte durch die Jahrtausende hinweg Zeichen gesendet—in Bruchstücken.
Und nun waren diese Bruchstücke wieder vereint.

Es rief sie heim.

Oder in den Schlund von etwas, das älter war als Heimat.

„In Ordnung,“
sagte er leise.
„Ich bin dabei.“

Sky antwortete nicht sofort.
Sie nickte nur. Einmal.

„Wir brechen in 48 Stunden auf.
Mein Team sammelt sich bereits.
Du wirst Zeit haben, dich vorzubereiten. Deine Leute zu holen.“

Er zögerte.

„Mein Team…“

„Der Professor. Der Sanitäter. Die Mechanikerin. Der Beobachter.
Ich weiß, wer sie sind.“

Er sah sie lange an.

„Verfolgst du mich schon lange?“

„Lange genug, um zu wissen, dass du sie brauchen wirst.“

Sie wandte sich zum Gehen, hielt oben an der Treppe noch einmal inne.

„Noch etwas.“

Er blickte auf.

„Sobald wir da runtergehen… gibt es kein Zurück.“

Und sie war fort.

Das Echo ihrer Schritte verklang in der Treppe.

Ren stand in der Stille, getaucht ins blaue Leuchten der Kugel.

Ihre Nadel zeigte noch immer.

Unverändert.
Unaufhaltsam.

Geradewegs ins Unbekannte.

Er dachte an Rivets Lachen.
An Sphinx’ Warnungen.
An Echos stille Augen.
An Docs ruhige Hände.

Ich werde sie alle brauchen.

Das Gewicht senkte sich auf ihn.

Nicht das der Vergangenheit.

Sondern das dessen, was noch kommen würde.

Er hob den Würfel auf, hielt ihn fest, dann schaltete er das Licht im Labor aus.

Dunkelheit fiel.

Aber der Kompass leuchtete weiter.

Kapitel 4: Vorstellungen – Teil 1

Der Jet schnitt durch den Nachmittagshimmel, hoch über dem stahlblauen Atlantik.

Sonnenlicht flimmerte auf dem Ozean wie geschmolzenes Glas.

Im Inneren der Kabine lastete die Stille wie Tiefendruck.
Zwei Teams saßen sich in zwei Reihen gegenüber, getrennt nur durch eine unsichtbare Wand aus Fragen.

In der Mitte: ein verstärkter Behälter auf einem Tisch aus Carbonfaser.
Darin: der Würfel. Die Kugel. Regungslos.
Aber Ren konnte sie fühlen.

Manchmal vibrierte der Koffer—kaum merklich.
Als würden die Artefakte warten.

Er konnte nicht aufhören, zu ihnen hinüberzusehen.

Wir haben die Grenze überschritten. Kein Zurück mehr.

Am hinteren Ende der Kabine saß Sky mit einem Tablet, überwachte Karten, prüfte verschlüsselte Feeds.
Ren saß ihr gegenüber, der Blick ruhig, wach.

Schließlich stand er auf und zeigte ein ruhiges Lächeln.

„Von jetzt an werden wir zusammen leben und arbeiten.
Ich denke, es ist Zeit, dass wir einander kennenlernen.
Vertrauen wird unsere wichtigste Ausrüstung sein.“

Sky nickte und erhob sich ebenfalls.

„Dann fang ich an.“

Sie sah in die Runde. Ihre Stimme war ruhig, aber trug weit.

„Sky Montgomery. Den Namen kennt ihr bereits.
Ich finanziere diese Mission, weil ich glaube, dass Entdeckungen dieser Größenordnung den Menschen dienen sollten.
Nicht der Politik.
Nicht dem Krieg.“

Ihr Ton war klar, gefasst—doch in ihren Augen flackerte etwas.
Etwas, das sie nicht aussprach.

Zu ihrer Rechten stand ein Mann, der aussah, als gehöre er in Schatten.

Groß. Schlank. Ganz in taktisches Schwarz gehüllt.
Gesicht undurchdringlich.
Augen wie die eines Falken.

Er nickte einmal.

„Codename: Shade. Aufklärung. Gedächtnisprotokoll. Notfallplanung.“

Seine Stimme war knapp, emotionslos.

„Meine Aufgabe ist es, euch alle am Leben zu halten.“

Er lächelte nicht.
Setzte sich nicht.
Er kehrte einfach zurück an seinen Platz, die Arme verschränkt, den Blick fest auf Türen und Fenster gerichtet—als könnten sie sich gegen sie wenden.

Ren schluckte.

Der schläft nie.

Als Nächster kam ein Berg von einem Mann.

Muskelbepackt. Stoisch. Eine stille, kraftvolle Präsenz.

„Thunder,“
sagte er mit einer Stimme wie fernes Artilleriefeuer.
„Ehemaliger Militärberater. Persönlicher Schutz.“

Er sah zu Sky.

„Sie hat mir das Leben gerettet.
Ich schütze ihres. Und eures.“

Schlichte Worte.
Gesprochen wie ein Eid.
Einer, der nicht bricht.

Ren bemerkte, wie Sky ihm knapp zunickte.
Nicht als Dank.
Etwas Tieferes.

Treue, geschmiedet im Feuer.

Dann kippte die Stimmung.

Ein drahtiger junger Mann mit zerzaustem Haar und einem breiten Grinsen winkte übertrieben.

„Yo! Ich bin Pixel. Hacker, KI-Bastler, Codeknacker, gelegentlich urbaner Abenteurer—was heißt: Ich spring von Sachen und sterbe dabei nicht.“

Ein Lachen ging durch die Kabine.

Pixels Energie war unmöglich zu ignorieren.

„Wenn’s verschlüsselt ist, knack ich’s. Alte Sprachen, Satellitensignale, Alien-Tech—her damit.“

Er warf Sphinx einen Blick zu und zwinkerte.

„Nichts für ungut, Professor.
Wir werden sehen, wer die Apokalypse zuerst entziffert.“

Sphinx hob eine Braue, amüsiert.

„Ich heiße den Wettbewerb willkommen, junger Mann.
Möge der beste Algorithmus—oder Archäologe—gewinnen.“

Noch mehr Gelächter. Sogar Shades Kiefer entspannte sich ein wenig.

Pixel drehte sich dramatisch zum hinteren Ende der Kabine und verbeugte sich theatralisch.

„Ach ja—ich kann Parkour.
Wenn also jemand fliehen will... ich hol euch ein. Ohne Exoanzug.“

Er warf Rivet einen verspielten Blick zu—sie grinste nur.

Die Letzte, die sich erhob, war eine Frau, wie aus Eis gemeißelt.

Kurzes platinblondes Haar.
Makellose Uniform.
Bewegungen scharf und chirurgisch.

„Codename: Mamba,“
sagte sie knapp.
„Genetikerin. Militärärztin.
Ich bin hier, um biologische Proben zu sammeln, evolutionäre Anomalien zu analysieren und Bedrohungen für die menschliche Physiologie zu bewerten.“

Ihr Blick glitt durch den Raum.

„Diese Mission könnte... unkonventionelle Entscheidungen erfordern.
Ich bin bereit, sie zu treffen.“

Die Temperatur in der Kabine sank gefühlt um ein Grad.

Nach ihrer Vorstellung folgte kein Scherz.

Ren spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.
In ihrer Stimme lag Überzeugung.
Aber kein Mitgefühl.

Er warf Doc einen Blick zu—der sie schweigend beobachtet hatte.

Beide waren Ärzte. Aber Welten voneinander entfernt.

Mamba setzte sich wieder, als würde sie einen Einsatzbericht abschließen.
Klar. Präzise. Ohne verschwendete Emotion.

Sky wandte sich wieder an die Gruppe, ihr Blick ruhte kurz auf Ren.

„Jetzt kennt ihr mein Team.
Kompetent.
Loyal.
Und gelegentlich dramatisch.“

Pixel salutierte mit zwei Fingern.

„Mission-Vibes offiziell im grünen Bereich.“

Ren lächelte kaum merklich, trat dann vor.

Zeit, seine Seite der Expedition vorzustellen.

Kapitel 4: Vorstellungen – Teil 2

Ren atmete tief durch und trat vor.

„Ren Wayland. Die meisten nennen mich Kompass.“

Er ließ den Namen kurz wirken.
Er fühlte sich nicht mehr wie ein Spitzname an.
Er fühlte sich verdient an.

„Einsatzstratege. Forscher alter Kulturen.
Ein bisschen waghalsig. Ein bisschen besessen.
Aber ich weiß, wie man das Verlorene findet.“

Er drehte sich zu seiner Crew—seinen Leuten.

„Und das sind die, die mir den Rücken freigehalten haben—durch Sandstürme, Einstürze und einen beinahe tödlichen Snackautomaten.“

Ein trockenes Lachen ging durch die Kabine.

Sphinx trat als Erster vor.

Eleganter Anzug, runde Brille, das Alter saß in den Augenwinkeln—doch sein Blick war so scharf wie eh und je.

„Man nennt mich Sphinx. Professor für alte Sprachen, vergleichende Mythologie, vergessene Schriftsysteme.
Ich mag Rätsel... vor allem jene, die unter fünftausend Jahren Staub begraben liegen.“

Er nickte Pixel zu.

„Und ich freue mich darauf, dir dabei zuzusehen.“

Pixel grinste breit.

„Wette um die erste Glyphe!“

Als Nächstes kam ein Mann mit schlanker Statur, leiser Präsenz und einem Anzug voller Sensoren und Mikro-Schaltkreise.

„Echo,“
sagte er knapp.
„Kommunikation. Signaltechnik.
Alles, was sendet, entschlüsselt oder horcht—bin ich.“

Er warf einen Fingerzeig in Richtung von Pixels Serverpack.

„Zerstör meine Frequenzbänder nicht, Genie.“

„Nur wenn du höflich fragst,“
konterte Pixel.

Dann kam ein metallisches Klack .

Ein Mädchen im Exoanzug schlug sich mit einer metallenen Hand gegen die Brust und salutierte.

„Rivet. Ingenieurin, Mechanikerin, Pilotin.
Wenn’s kaputt ist—ich reparier’s.
Wenn’s nicht kaputt ist—mach ich’s vielleicht kaputt, um’s besser zu machen.“

Das brachte Thunder zum Lachen—zum ersten Mal.
Er hatte sich bisher kaum bewegt.

Rivet warf ihm ein Zwinkern zu.

„Keine Sorge, Großer.
Ich mag gut gebaute Sachen.“

Thunder nickte ihr respektvoll zu, die Arme vor der Brust verschränkt.

Die Stimmung wurde lockerer.
Es funktionierte.

Zuletzt trat ein schlanker Mann mit ruhigen Händen und müden Augen vor.

Doc.

Er rückte den Gurt seiner Medizintasche zurecht und hob leicht die Hand.

„Doc. Sanitäter im Außeneinsatz, Biologe.
Wenn du blutest, flick ich dich zusammen.
Wenn etwas auf dich blutet, finde ich heraus, ob’s giftig ist—bevor du das Bewusstsein verlierst.“

Er warf einen Blick zu Mamba.

„Sieht so aus, als wäre ich nicht der Einzige, der da unten Lebensformen katalogisiert.“

Für einen Moment flackerte Mambas Gesicht—Respekt, vielleicht.
Die beiden nickten sich stumm zu.
Etwas unausgesprochenes lag zwischen ihnen.
Sie sprachen unterschiedliche Sprachen.
Aber vielleicht... waren sie doch beide Wissenschaftler.

Als alle gesprochen hatten, legte sich eine neue Stille über den Raum.

Sky trat wieder in die Mitte der Kabine.

Hinter den Fenstern ging die Sonne unter, das Meer schimmerte in flüssigem Gold.

Sie blickte in die Runde—zehn Seelen in einem Flugkörper auf dem Weg zu etwas, das auf keiner Karte stand.

„Ihr alle wisst, warum wir hier sind.“

Ihre Stimme war nicht laut—aber sie trug.

„Weil etwas aus der Tiefe ruft.
Kein Mythos. Keine Legende.
Etwas Reales.“

Sie blickte zum Koffer mit dem Würfel und der Kugel.

„Wir haben ein Leben lang in getrennten Räumen verbracht.
Auf unterschiedlichen Wegen.
Soldaten. Hacker. Historiker. Mediziner.“

Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen.

„Aber jetzt...
sind wir eine Crew.
Ein Team.“

Ihr Blick traf den von Ren.

„Und ich glaube, wir sind die Einzigen, die das schaffen können.“

Die Kabine schwieg.

Dann—Bewegung.

Pixel beugte sich zu Echo und murmelte etwas über Subnetzprotokolle bei Unterwasserverbindungen.

Rivet war bereits wieder bis zu den Ellbogen in ihrem Werkzeugkasten, sprach mit Thunder über Antriebssysteme—der überraschend interessiert schien.

Sphinx und Mamba standen an gegenüberliegenden Enden der Kabine.
Beobachtend.
Berechnend.

Shade war still zum Cockpit zurückgekehrt—wieder unsichtbar.

Ren sah auf seine Leute.
Und auf Skys Leute.

Seine Stimme war leise. Aber sie trug.

„Wir bringen einander nach Hause. Alle.
Das ist die Abmachung.“

Rivet drehte sich um und grinste.

„Hatte nicht vor zu sterben, Boss.“

„Gut,“
sagte Ren.
„Dann halt dich dran.“

Draußen hinter den Fenstern erstreckte sich der Ozean—dunkel und endlos.

Irgendwo dort unten wartete etwas.

Die Nadel der Kugel zitterte nicht.

Kapitel 5: Das Atlantis-Paradox – Teil 1

Draußen vor den Fenstern glühte der Atlantik im Gold der sterbenden Sonne.

Wolken schimmerten wie geschmolzenes Messing, und weit unten spiegelte das Meer ihr Feuer.

In der Kabine sprach niemand.
Selbst Pixels übliches Brummen aus Kommentaren war verstummt.

Jeder hing seinen Gedanken nach, blickte aufs Wasser—
oder ins eigene Spiegelbild im Glas.
Wartend.

Ren stand am Fenster, eine Hand ruhte leicht auf der gebogenen Scheibe.
Die Kälte drang durch die Haut.

Unter ihnen—
Meilen von Wasser.
Und tiefer noch—
Geheimnisse.

Er flüsterte das Wort, ohne darüber nachzudenken:

„Atlantis...“

Sein Atem beschlug das Glas.

„Seit Jahrtausenden nehmen wir es wörtlich.
Eine Stadt, vom Meer verschlungen.
Ein Mythos von Hochmut und Strafe.
Atlantis... das verlorene Paradies.“

Hinter ihm regte sich Sky.
Sie stand auf, legte ihr Tablet beiseite und trat neben ihn ans Fenster.

Einen Moment lang sagte sie nichts.
Sah einfach hinaus, ihr Blick unergründlich.

Dann murmelte sie, leise, fast verschwörerisch:

„Aber was, wenn es kein Gleichnis war?“

Ren blinzelte.

„Du meinst... Atlantis?“

„Nein. Atlas.“

Ihr Blick blieb auf dem Horizont.

„Was, wenn Atlas kein Mensch oder Gott war... sondern etwas Geologisches?“

Ren drehte sich leicht zu ihr, seine Neugier geweckt.

„Sprich weiter.“

Skys Stimme wurde noch leiser.

„Atlas soll den Himmel getragen haben.
Aber in der Strukturgeologie... was trägt die Erde?“

Ren runzelte die Stirn.
Etwas begann in ihm zu klicken.

„Basalt,“
sagte er fast automatisch.
„Ozeanische Kruste.
Die äußere Haut der Erde ruht auf einem dichten basaltischen Fundament.“

Sky nickte langsam.

„Eben.
Atlas war kein Titan.
Er war... das Gestein unter unseren Füßen.“

Rens Augen weiteten sich. Der Gedanke senkte sich auf seine Brust wie eine schwere Wahrheit.

„Und Atlantis?
Es ist keine versunkene Stadt.
Nichts, das gefallen ist.
Sondern etwas, das verborgen wurde.“

Skys Stimme war ruhig, fast ehrfürchtig.

„Ein Hohlraum unter der Kruste.
Eine Kammer, versiegelt durch Zeit und Druck.
Ein Gewölbe, vergraben unter dem Gewicht des Ozeans.“

Ihre Blicke trafen sich.
Keine Worte nötig.
Die Erkenntnis war da.
Zwischen ihnen.

Eine Welt unter der Welt.

Ren wirbelte zum Kartenterminal.
Seine Finger flogen über das Touchdisplay, zoomen in die bathymetrischen Daten.

„Da—sieh!“

Sein Finger stoppte auf einer blassen Narbe im Meeresboden.

„Mittelatlantischer Rücken.
Da ist eine Diskontinuität—eine anomale Vertiefung, genau im Koordinatenbereich, den die Kugel angibt.“

Sky beugte sich über seine Schulter.

„Das ist... keine Riftzone.
Nicht einmal tektonisch.“

Sie tippte auf die Datenanzeige. Die Tiefenwerte pulsierten.

„Das ist ein Tunnel. Eine Kammer. Ein Hohlraum.“

Ren trat einen Schritt zurück, atmete schwer.

„Atlantis sind keine Ruinen.
Es ist Infrastruktur.
Etwas Uraltes...
das nie gefunden werden sollte.“

Das Licht vom Bildschirm tauchte ihre Gesichter in kaltes Blau.

Draußen war die Sonne fast verschwunden.
Das Meer schimmerte wie Tinte.

Und darunter—
Antworten.

Oder etwas völlig anderes.

Rens Gedanken wanderten.
Er hörte die Stimme seiner Mutter—aus längst vergangenen Tagen:

„Sei vorsichtig, was du verfolgst, Ren.
Manche Wahrheiten wollen nicht gefunden werden.“

Sie hatte ihn gewarnt.
Vor Besessenheit.
Vor dem Drang, zu tief zu graben.

Und trotzdem—er konnte nicht aufhören.
Nicht jetzt.

Das Feuer in ihm brannte zu hell.

Er ballte die Faust.

Keine Angst mehr. Kein Zögern mehr.

Er wandte sich zu Sky.

Sie sah es in seinen Augen—
Entschlossenheit.
Die Art, die nicht leicht zerbricht.

„Wir werden es finden,“
sagte er. Seine Stimme war leise, aber fest wie Fels.
„Selbst wenn wir uns durch die Wirbelsäule der Erde bohren müssen.“

Sky lächelte schief.

„Das ist der richtige Geist, Kompass.“

Sie standen nebeneinander, in Stille, und sahen zu, wie das Meer unter ihnen dunkler wurde.

Und weit unter den Wassern der Dämmerung—
wartete die Erde darauf, geöffnet zu werden.

Kapitel 5: Das Atlantis-Paradox – Teil 2

Die Kabinenlichter dimmten sich.
Draußen war der Atlantik zu einem Spiegel aus Tinte geworden.
Und unter seiner Oberfläche—
atmete etwas Uraltes.

Ren stand über dem Kartentisch, seine Finger glitten über digitale Überlagerungen.
Bathymetrische Linien wanderten wie Adern—die Haut eines schlafenden Riesen nachzeichnend.

„Genau hier,“
murmelte er.
„Das passt nicht zu den tektonischen Gittern.
Das ist kein Bruch—das ist absichtlich.“

Sky trat neben ihn.
Gemeinsam starrten sie auf die Anomalie—einen länglichen Graben, unnatürlich gleichmäßig.

„Die Koordinaten stimmen mit der letzten Ausrichtung der Kugel überein,“
sagte sie und tippte auf das Display.
„Was immer das ist...
es wurde absichtlich vergraben.“

Die Kammer.
Ein Gewölbe unter der Kruste.
Kein Mythos.
Ein Mechanismus.

Ren flüsterte:

„Eine Tür.“

Er beugte sich näher zum Bildschirm, das Herz schlug ihm bis zum Hals.

„Wir haben nach Ruinen gesucht.
Aber was, wenn wir die Ersten sind, die sie öffnen?“

Hinter ihnen blieben die anderen still.
Einige dösten. Andere sahen hinaus.

Aber sie alle spürten es—
das Ziehen von etwas Großem und Echtem, nur einen Hauch entfernt.

Sky durchbrach das Schweigen, ihre Stimme war leise:

„Denkst du, sie wussten, dass wir kommen würden?“

„Wer?“

„Die, die es gebaut haben.
Die den Würfel hinterließen.
Die Kugel.“

Ren dachte nach.

„Vielleicht haben sie gehofft, jemand würde es tun.
Vielleicht war es eine Warnung.“

Er sah wieder hinaus.

Das Meer hatte sein Glühen verloren.
Jetzt wirkte es wie Stein—schwarz, absolut.

„Als ich ein Kind war,“
sagte er,
„hat meine Mutter mir Geschichten zum Einschlafen erzählt.“

Seine Stimme war sanft, aber klar.

„Nicht die netten.
Die alten.
Geschichten über verbotenes Wissen.
Türen, die besser verschlossen bleiben.
Mythen, die im Schweigen enden.“

Sky drehte sich zu ihm, interessiert.

„Und glaubte sie daran?“

Ren nickte.

„Sie glaubte, dass manche Wahrheiten gefährlich sind.
Dass, wenn man zu tief gräbt—die Erde sich erinnert.“

Eine Pause. Seine Kiefer spannten sich an.

„Sie starb bei einer Ausgrabung.
Ein Bruchzonen-Einsturz in Anatolien.
Sie wollte eine vergessene Sprache freilegen.“

Er sagte nicht mehr.
Er musste nicht.

Sky legte eine Hand auf die Konsole.

„Das wusste ich nicht.“

Ren schüttelte den Kopf.

„Sie hätte nicht aufgehört—selbst wenn sie es gewusst hätte.
Sie war wie ich.“

Er sah auf—keine Unsicherheit mehr in seinem Blick.

„Und ich werde auch nicht aufhören.“

Der Bildschirm summte.
Koordinaten verriegelt.

Geschätzte Tiefe: acht Meilen
Seismische Stabilität: unsicher

Unter ihnen—
Druck. Dunkelheit.
Und ein Rätsel, das gebrochen werden wollte.

Skys Stimme war ruhig:

„Dann gehen wir. Ganz nach unten.“

Ren lächelte schwach.

„Wir fallen doch längst.“

Einen langen Moment lang hielt die Kabine den Atem an.

Dann:
ein Flackern aus dem Inneren des Koffers, in dem die Kugel lag.

Ein Puls.
Sanft.
Blau.

Echo hob den Blick. Pixel erstarrte mitten im Tastenanschlag.

Die Kugel drehte sich.

Die Nadel zeigte.

Nach unten.

Kapitel 6: Die Tiefen der Stille – Teil 1

Das Meer lag unnatürlich ruhig da — ein Spiegel aus geschmolzenem Glas unter der zerschlagenen, sinkenden Sonne.
Keine Welle. Kein Kräuseln. Kein Hauch von Wind.

Doch über der Wasseroberfläche vibrierte die Spannung auf dem Deck des Forschungsschiffes wie ein straff gespannter Draht kurz vor dem Zerreißen.

Ren „Kompass“ Wayland stand mit Skylar Montgomery am vorderen Geländer, beide in Schweigen versunken, während das Tauchfahrzeug Atlas  langsam zur Oberfläche hinabgelassen wurde.

Stahlseile ächzten. Der Kranarm knarrte. Die verstärkte Kapsel, tropfenförmig und gespickt mit Lichtern und Sensoren, versank zischend in einer Mischung aus Dampf und Gischt im Ozean.

Hinter ihnen verfolgte der Rest der Expedition das Geschehen.
Geologen. Biologen. Ingenieure. Hacker. Soldaten.
Zwei Teams, einst Rivalen — nun verbunden durch Rätsel, durch Not… und durch etwas, das älter war als jeder Mythos.

„Abtauchen. Tiefe: zehn Meter,“
krächzte Echos Stimme über das Funkgerät vom Kontrollpult im Inneren.

Sky umklammerte das Geländer fester, beugte sich vor.
Ihr Haar flatterte im Wind wie eine Fahne, die sich im Sturm verlor.
Ren blieb unbewegt. Konzentriert. Hörend.

„Das ist der Moment,“
flüsterte Sky.
„Der Moment, in dem aus der Geschichte Realität wird.“

Ren nickte leicht, aber sein Kiefer war angespannt.
Unter der Oberfläche seiner Gedanken tobte Bewegung.
Ein Summen in seiner Brust —
nicht Furcht.
Etwas Instinktives.
Eine alte, leise Stimme, die ihn warnte: Es ist da unten. Etwas wartet.

Der Würfel hing noch immer an seiner Seite, gesichert in einer schützenden Slingtasche.
Er hatte nicht mehr geflackert oder gepulst, seit sie ausgelaufen waren —
aber er hatte sie hierher geführt.
Nicht ungefähr.
Präzise.

Und genau das war vielleicht das Beunruhigendste.

„Fünfhundert Meter,“
meldete Echo erneut.
„Sichtweite gering. Außenlichter aktiviert. Abstiegsgeschwindigkeit stabil.“

Die Sonne versank unter der Wasserlinie.
Dunkelheit verschlang den Himmel.
Nur weiche Kontrollanzeigen und schmale Streifen aus rotem Sicherheitslicht spendeten noch Orientierung.

„Zieltiefe wird erreicht,“
sagte Echo.
„Koordinaten fixiert.“

Das Schiff fiel wieder in Stille.
Kein Flüstern. Keine Schritte.
Nur das sanfte Schlagen des Wassers gegen den Rumpf.

Sky beugte sich näher zu Ren, sprach so leise, dass er es kaum hörte.

„Glaubst du, es war vorherbestimmt, dass wir das hier finden?“

„Du meinst... Schicksal?“

„Nein,“
sagte sie.
„Absicht.“

Er dachte darüber nach —
die Idee, dass irgendeine Intelligenz wollte, dass diese Entdeckung geschieht.
Es ließ ihn frösteln — tiefer als jede Brise.

„Wenn das hier eine Tür ist,“
sagte er schließlich,
„dann haben wir keine Ahnung, was auf der anderen Seite liegt.“

Sky lächelte leicht.

„Wir öffnen sie trotzdem.“

Ren blickte zurück auf die anderen.

Pixel saß im Schneidersitz und tippte wütend auf seinem Tablet.
Thunder stand unbeweglich wie ein Stein neben Rivet, die über einem Drohnensensor fluchte.
Sogar Mamba schwieg, beobachtete alles mit verschränkten Armen, die Lippen so fest zusammengepresst wie das Urteil eines Tribunals.

Keine Zweifler.
Gläubige.
Und Gläubige gehen immer tiefer als alle anderen.

„Achthundert Meter,“
meldete Echo.
„Meeresboden in Sicht. Starte Sonarscan.“

Ren trat an das Monitorfeld heran.
Ein unscharfes Bild formte sich:

Ein flacher Meeresboden. Schlammig. Strukturlos.

Ein Schlag.
Dann:

„Wir sind an den Koordinaten.“
„Aber…“
„…es ist nichts da.“

Keine antiken Ruinen. Keine fremde Geometrie.
Keine mysteriöse Öffnung.
Nur… Stille.

Über das Deck hinweg sanken Schultern.
Pixel erstarrte.
Rivet fluchte leise.

Sky klammerte sich an das Geländer, bis ihre Fingerknöchel weiß hervortraten.

„Das kann nicht sein.
Überprüft es.
Da muss etwas sein.“

Echos Stimme kam zurück, leiser:

„Bestätigt. Position stimmt exakt.
Keine Strukturen. Keine Anomalien.“

Eine lange Stille folgte.

Rens Hand wanderte zurück zum Würfel.
Noch immer warm.
Noch immer ruhig.
Noch immer zeigte er nach unten.
Unbewegt.
Unbeeindruckt.

Er schloss die Hand um ihn.

Und wartete.

Kapitel 6: Die Tiefen der Stille – Teil 2

„Wartet...“

Echos Stimme kehrte zurück — angespannt, verunsichert.

Alle drehten sich zum Kontrollpult.

Rivet beugte sich über den Bildschirm neben Echo, die Stirn in Falten gelegt.

„Das Sonar zeigt Unregelmäßigkeiten,“
murmelte sie.
„Die Dichte passt nicht zu den erwarteten Werten. Sieh dir diese Schicht an.“

Ren trat näher.

Das Bild war nicht mehr statisch.
Unter dem glatten Meeresboden hatte sich ein Schatten abgezeichnet —
blass, elliptisch, tiefer als es das Sediment erlauben sollte.

„Was ist das?“
fragte Sky.

„Festes Gestein...
und dann ein Dichteabfall.
Wie eine Hohlkammer unter der Kruste,“
sagte Rivet.

„Begraben?“
fragte Ren.

„Sieht so aus,“
bestätigte Echo.
„Wenn hier etwas ist, wurde es unter Tonnen von Schlick vergraben.
Absichtlich.“

Einen langen Moment sagte niemand etwas.

Ein so glatter Meeresboden entsteht nicht zufällig.
Er war... ausgelöscht.

Skys Miene veränderte sich — kein Schock.
Genugtuung.

„Es ist noch da,“
flüsterte sie.
„Nur... tiefer.“

Rens Blick verengte sich, als das Sonar neu kalibrierte.
Was leer gewirkt hatte… verbarg etwas.

„Atlas, Position halten,“
befahl er.
„Wir brauchen einen vollständigen Hochauflösungs-Scan.“

„Verstanden.“

Die Scanner des Tauchfahrzeugs wechselten den Modus.
Der Ozean entfaltete sich in vibrierenden Schichten.

Sie sahen nicht mit Licht —
sie fühlten mit Schall.

Langsam offenbarte sich etwas:

Eine gewaltige Krümmung,
wie ein vergrabenes Rippenbogenfragment.

„Da,“
sagte Sky.
„Siehst du das?“

„Ja,“
murmelte Ren.
„Das ist nicht natürlich.“

„Aber auch keine Struktur,“
ergänzte Rivet.
„Zu gleichmäßig für Geologie, aber nicht gebaut wie eine Mauer.“

„Wie eine Schale,“
warf Echo ein.

„Eine Luke,“
schlug Pixel vor, der nun hinter ihnen stand.
„Ein versiegelter Eingang. Vielleicht druckgesteuert.“

Der Gedanke traf Ren wie kaltes Wasser.

„Es sollte nie leicht gefunden werden,“
sagte er.

„Was bedeutet,“
ergänzte Sky,
„es sollte verborgen bleiben.“

Donner grollte am fernen Himmel — leise, fern, aber da.

Ren blickte hinaus aufs Meer.
Die Oberfläche lag still —
doch die Dunkelheit darunter brodelte vor Rätseln.

Er wandte sich zurück zum Team.

„Wir müssen bohren,“
sagte er.
„Langsam. Kontrolliert.
Wenn wir zu schnell vorgehen, destabilisieren wir die Deckschicht.“

„Ich kann einen Präzisionsrahmen aufbauen,“
sagte Rivet, während sie bereits Berechnungen durchführte.
„Minimale Störung.“

„Wir verankern hier,“
fuhr Ren fort.
„Das ist der Ort.“

Niemand widersprach.
Niemand zögerte.

Sie waren zu weit gekommen.

Sky sah ihn an — nicht als Geldgeberin.
Nicht als Anführerin.
Sondern als etwas Tieferes:
Eine Gefährtin der Entdeckung.

„Spürst du das?“
fragte sie.

Ren nickte.

„Es ist nicht nur Druck.
Es ist... Anwesenheit.“

Und so war es.
Ein stilles Gewicht in der Luft.
Eine Spannung wie vor einem Sturm — unsichtbar, elektrisch.

Der Würfel an Rens Seite pulsierte erneut.

Er löste ihn, hielt ihn in der Hand.

Er zitterte.

Unter ihnen war das Meer nicht länger still.

Die Stille hatte Form.

Und sie hörte zu.

Kapitel 7: Die Tiefenbasis – Teil 1

Der Ozean war unheimlich still—
als hielte das Wasser selbst den Atem an.

Über der unbewegten Oberfläche wimmelte es auf dem Forschungsschiff vor Aktivität.
Module schwangen an Hydraulikkränen, Lichter blinkten, und über Funk flogen scharfe, knappe Anweisungen durch die Luft.

Darunter, auf dem Meeresboden, wurde eine neue Welt gebaut.

„Drohne drei, Achse vier rotieren. Wir sind zwei Grad daneben,“
krächzte Rivets Stimme über die Komms.

Sie saß am zentralen Kontrollpult, ihre Augen flitzten zwischen Live-Feeds hin und her, die Finger glitten über die Steuerung wie bei einem Konzertpianisten.

Mechanische Arme bewegten sich in perfekter Harmonie.
Schweißstrahlen flackerten unter Wasser.
Kabel schlängelten sich wie gehorsame Schlangen an ihren Platz.

„Sauberer Einsatz, Rivet,“
murmelte Pixel von seiner Station aus mit einem Grinsen.
„Du gibst den Bots eine Seele.“

„Die haben bessere Koordination als mancher von uns,“
konterte sie.
„Nur mit weniger schlechten Angewohnheiten.“

Über Funk meldete sich Thunder, seine Stimme ruhig, tief, souverän.

„Tragplattform ausgerichtet. Beginne Absenkung.“

Von seinem Platz aus steuerte Thunder das schwere Lasttauchboot und manövrierte gewaltige Strukturteile mit unbeirrbarer Präzision an Ort und Stelle.

Für Ren, der das Ganze vom Beobachtungsdeck aus verfolgte, war es wie ein Orchester beim Stimmen—
nur dass ihre Bühne achthundert Meter unter Wasser lag, und jeder Fehler tödlich sein konnte.

Dies war keine gewöhnliche Mission.
Dies war ein Vorstoß ins Mythosgewebe der Welt.

Stück für Stück nahm die Struktur Form an.
Zuerst das Grundgerüst. Dann die verstärkte Außenhülle.
Dann die inneren Segmente — Labore, Wohnmodule, Kontrollzentren.
Und schließlich das Herzstück: das Bohrfeld, ausgerichtet wie ein Speer in Richtung des Unbekannten.

„Wir sind fast soweit,“
sagte Sky leise neben ihm, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
„All das — Jahre der Forschung, Millionen an Finanzierung, gejagte Schatten — läuft auf ein Loch im Boden hinaus.“

Ren antwortete nicht sofort.
Er beobachtete, wie der letzte Stützring abgesenkt wurde.

„Manchmal,“
murmelte er,
„findet man die Wahrheit nur, wenn man das Schweigen durchbricht.“

Aber das Schweigen war noch nicht am Ende.

Plötzlich:

„Modul C4 driftet!“
Rivets Stimme war plötzlich scharf, durchzogen von Alarm.
„Unterströmung — zieht nach Osten!“

Auf dem Bildschirm drehte sich das Modul, kippte —
Greifarme rutschten aus ihrer Ausrichtung.
Eine Kollision mit dem Stabilisator war nur Sekunden entfernt.

„Halt durch,“
sagte Thunder gelassen.
„Ankerpod wird umgeleitet.“

Das riesige Tauchgerät erwachte mit einem Zischen zum Leben —
Arme stützten das abdriftende Modul von der Gegenseite ab.

Für einen Moment war es ein Ballett aus roher Kraft und Präzision.
Wasser wirbelte. Metall ächzte.

„Festsetzen,“
rief Rivet scharf.
„Jetzt!“

„Stabilisiert,“
bestätigte Thunder.

Alle atmeten gleichzeitig aus —
ohne gemerkt zu haben, dass sie den Atem angehalten hatten.

„Noch eine Überraschung dieser Art,“
murmelte Rivet,
„und ich beantrage Gefahrenzulage.“

„Ich hätte einen Livestream mit Countdown gemacht,“
warf Pixel ein, seine Stimme leicht, wie immer ein Ventil gegen die Anspannung.
„Willkommen bei 'Tiefgang — die Reality Show'. Bald in deinem Stream.“

Ein leises Lachen ging durch die Kabine.

Ren lächelte still.
Selbst im Chaos—
bewegten sie sich wie eins.
Und das erfüllte ihn mit Stolz.

Sie waren keine Soldaten.
Nicht einmal Entdecker.
Sie waren Erbauer—
von etwas, das kein Mensch je zu berühren gewagt hatte.

Unter ihnen schalteten die Flutlichter ein.
Die Struktur leuchtete im Dunkel—
eine Kuppel aus Stahl und Zweck,
wie eine außerirdische Botschaft, verankert im Tiefseeboden.

Und tief im Innern, im Zentrum—
wartete der Bohrer.
Seine Titanspitze glänzte wie die Spitze einer Prophezeiung.

„Systeme grün,“
meldete Echo über Funk.
„Energie stabil. Sequenz läuft.“

Wenige Sekunden später erwachte der Bohrer zum Leben.

Ein tiefes Dröhnen vibrierte durch die Wände.
Draußen wirbelte der Meeresboden auf,
während der Bohrkopf sich in die Erde fraß —
Schlick, Sand und Geschichte zugleich.

Auf den Monitoren blühte Sediment in spiralförmigen Wirbeln auf.
Jeder Meter eine Geschichte,
jede Schicht ein Flüstern aus Vergessenem.

Sphinx beugte sich näher zur Datenanzeige, murmelte leise vor sich hin.
Daneben verfolgte Doc den Bohrvorgang mit einem Blick, der Neugier und Besorgnis zugleich verriet.

„Wir schneiden in die Zeit selbst,“
sagte Sphinx, die Augen weit.

„Und in das, was darin lebte,“
fügte Doc leise hinzu.

Unter der Basis öffnete sich die Erde.
Und darüber wich das Schweigen—
einem atemlosen Vorwärtsdrang.

Kapitel 7: Die Tiefenbasis – Teil 2

Der Bohrer schrie.

Selbst durch mehrere Meter Legierung, Druckschotts und technische Dämmung drang der Klang bis in die Knochen.

„Tiefe: zwanzig Meter… dreißig… fünfzig,“
meldete Echo vom Kontrollterminal.
„Belastung stabil. Noch kein Widerstand.“

Im Beobachtungszentrum war jede Aufmerksamkeit auf die Bildschirme gerichtet.
Selbst Pixel hatte aufgehört zu scherzen.

Der Raum pulsierte im Takt der Maschinen.
Ein leises Summen.
Eine Vibration durch den Boden.
Ein Countdown zur Entdeckung.

Dann—

ein Ruck.

Die ganze Struktur erzitterte —
nicht gefährlich,
aber spürbar. Scharfe Blicke flogen durch den Raum.

„Spitze im Widerstand,“
bestätigte Echo.
„Materialdichte steigt.“

„Was sagen die Werte?“
fragte Sky.

„Basalt,“
kam die Antwort des geologischen Analysten über Funk.
„Dicht gepackt. Könnte ein alter Lavastrom sein.“

„Oder eine Abschirmung,“
murmelte Sphinx, mehr zu sich selbst.

„Vielleicht sollte es begraben bleiben,“
sagte Doc düster.

„Vergesst das,“
meldete sich Rivet, scharf und bereit.
„Wechsle den Bohrkopf. Gebt mir zehn Minuten.“

Sie war bereits halb durch den Korridor zum Wartungsschacht verschwunden.

Als die neue Bohrspitze — titanverstärkt und lasergraviert — bereit war, blinkte bereits die Temperaturwarnung.

„Überhitzung?“
fragte Ren.

„Kühlmodul läuft an der Belastungsgrenze,“
meldete Pixel, während seine Finger über das Interface flogen.
„Ich leite die Thermoregulierung um — gebt mir dreißig Sekunden.“

„Mach zwanzig draus,“
rief Rivet von unten zurück.

Alarme flackerten rot—
und erloschen dann wieder,
als Pixel das System knackte.

„Alles im grünen Bereich,“
sagte er grinsend.
„So cool wie Seegurken.“

„Erinnere mich daran, deine Metaphern beim nächsten Service zu deaktivieren,“
kam Rivets trockene Antwort.

„Das macht doch meinen Charme aus,“
erwiderte Pixel.

Sogar Echo lachte leise—
ein seltener Laut von einem Mann, der meist aus Drähten und Schweigen zu bestehen schien.

Doch nicht alle waren amüsiert.

Im Hauptmodul, kreisend wie ein Raubtier, bewegte sich Mamba.
Ihre Schritte waren eng geführt, kontrolliert, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, der Blick auf das zentrale Bohrdisplay geheftet.

„In diesem Tempo,“
murmelte sie,
„sind wir nächstes Jahrhundert fertig.“

Ren, der in der Nähe stand, warf Sky einen Blick zu.
Sie blieb regungslos, die Arme verschränkt, das Gesicht neutral —
doch ihre Finger trommelten leise gegen ihre Seite.
Ein stilles Zeichen von Ungeduld.

Mamba fuhr herum.

„Wir haben die Ausrüstung. Die Koordinaten. Die Berechnungen.
Warum dieses Schneckentempo?“

„Weil wir nicht sterben wollen, wenn wir ins Unbekannte graben,“
antwortete Sky, ohne sich zu drehen.
„Diese Mission geht nicht nur darum, etwas zu erreichen —
sondern darum, zu überleben, was wir finden.“

„Du klingst wie eine Politikerin,“
fauchte Mamba.
„Wir sind nicht hier, um zu zögern. Wir sind hier, um zu evolvieren.“

„Und Evolution entsteht nicht durch kopfloses Graben,
sondern durch Verständnis,“
sagte Ren ruhig und trat einen Schritt vor.

Der Raum wurde still.
Sogar Thunder, der gerade noch Druckanzeigen überprüft hatte, blickte auf.

„Jeder Meter, den wir bohren, schreibt Geschichte neu,“
fuhr Ren fort.
„Wenn wir zu schnell gehen, übersehen wir vielleicht die Warnzeichen.“

Mamba sagte nichts.
Aber ihr Kiefer spannte sich merklich an.
Hart.

Sie wandte sich ab—
und starrte zurück auf den rotierenden Bohrer,
die Augen brennend vor innerem Druck.

Die Spannung löste sich nicht.
Aber sie setzte sich.
Gespannter als je zuvor—
wie ein Strom, der nur auf den Moment wartet.

Stunden vergingen.

Der Bohrer arbeitete weiter.
Unermüdlich.
Nach unten.

„Sechzig Meter,“
meldete Echo.
„Abstieg fortlaufend.“

„Temperatur stabil,“
ergänzte Pixel.

„Dichte konstant,“
kam die Stimme vom Sensor-Unterteam.

In der Stille zwischen den Durchsagen lehnte sich Sphinx zu Doc hinüber.

„Spürst du das?“
flüsterte er.

„Was?“
fragte Doc.

„Das Schweigen,“
antwortete der alte Professor.
„Es ist... anders.“

Doc antwortete nicht.
Er sah nur auf die Werte—
und nickte.

Unter ihnen,
in dunklen Schichten der Erde,
die nie von Zeit berührt wurden,
verschob sich etwas.

Kein Gestein.
Keine Maschine.
Noch nicht.
Aber etwas.

Ren blickte auf den Bohrer,
fühlte seinen Takt in der Brust.
Er blinzelte nicht.

„Wir sind nah dran,“
flüsterte er.

Sky, die neben ihm stand, hörte die Worte.
Und sie stellte keine Fragen.

Kapitel 8: Die zweite Schicht – Teil 1

Der Moment kam am vierten Tag.

Ein greller, metallischer Kreischlaut hallte aus dem Bohrschacht—
dann sackte der Bohrkopf plötzlich nach vorn, schnitt in leeren Raum.
Das Drehmoment stürzte ab.

„Wir haben Kontakt!“
Echos Stimme knisterte durch die Komms, scharf vor Aufregung.
„Der Bohrer ist durchgebrochen—Druckabfall.
Wir haben eine Kammer erreicht!“

Für einen Sekundenbruchteil herrschte Stille.
Dann brach der Jubel los.

Rufe. Lachen.
Hände auf Schultern. Umarmungen. Fäuste in der Luft.

Sie hatten es geschafft.

Die erste Barriere war gefallen.

„Ruhe! Alle!“
Rens Stimme schnitt durch den Lärm wie ein Skalpell.
„Echo, Bericht. Jetzt.“

Echo war bereits über die Zahlen gebeugt.

„Tiefe: etwa drei Kilometer. Druck stabil… Moment…“
Er hielt inne.
„Wir bekommen Luftproben aus dem Schacht. Sauerstoff und Stickstoff—fast identisch mit der Erdatmosphäre an der Oberfläche.“

Wieder senkte sich Schweigen.

Doc trat vor, blinzelte gegen das Display.

„Ein versiegeltes Ökosystem, drei Kilometer unter der Erde…
und es funktioniert noch?“
Er rieb sich den Bart, deutlich beunruhigt.
„Wenn diese Luft atembar ist… ändert das alles.“

„Wartet mal…“
Pixel beugte sich über das Nebenterminal.
„Temperaturabfall. Und… bioaerosolische Spuren im Luftstrom.“

„Welche Art von Bioaerosolen?“
Docs Stimme wurde schärfer.

„Sporen. Vielleicht Pollen. Irgendeine Form luftgetragener Organik,“
sagte Pixel, während seine Finger über die Steuerung tanzten.
„Hohe Konzentration.“

Mamba war schon in Bewegung, bevor er geendet hatte.
Sie schritt durch das Labor, die Augen leuchteten wie bei einem Raubtier.

„Chemische Zusammensetzung?“
verlangte sie.
„Hinweise auf mikrobielle Aktivität?
Wir brauchen Proben. Sofort.“

„Moment,“
Doc hob die Hand, ruhig, aber bestimmt.
„Wir wissen nicht, mit welchen Risiken wir es zu tun haben. Pathogene, Toxine…“

„Eben deshalb brauchen wir diese Proben in geschützter Umgebung,“
konterte Mamba kalt.
„Öffnet das Einlassventil.
Ich übernehme die Probenahme persönlich.“

Sie war schon dabei, sich auszurüsten —
Atemfilter, versiegelte Handschuhe, präzise Bewegungen wie ein Uhrwerk.

Sky sah zu Ren. Ihr Blick war nicht zu deuten.
Ren nickte nur knapp.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Sie mussten verstehen, was da unten war—
bevor sie es betraten.

Nur wenige Minuten später waren mehrere versiegelte Behälter mit Luft direkt aus der Bruchstelle gefüllt.

Mamba hielt sie, als wären es heilige Relikte.

„Die ersten Proben aus Atlantis,“
murmelte sie, die Augen glänzend.

Doc hob ein der Vials gegen das Licht.
Selbst ohne Hilfsmittel schimmerten die Inhalte—
staubfeine Partikel tanzten wie Sternenstaub im Strahl.

„Nun denn,“
sagte Ren schließlich, durchbrach die Stille.
„Zeit, es selbst zu sehen.“

Seine Stimme war ruhig—zu ruhig.
Doch jeder hörte, was darunter lag:
Vier lange Tage hatten sie gewartet.

Sky trat zum Funkgerät.

„Basis an Oberfläche. Zugang bestätigt.
Hauptforschungsteam beginnt den Abstieg.“

Sie wandte sich an das Team.

„Ausrüstung anlegen.
Von jetzt an beginnt Phase zwei der Expedition.“

Sie rüsteten sich rasch aus.

Leichte Exoanzüge. Sauerstofftanks. Versiegelte Helme.
Werkzeuge. Lichtquellen. Instrumente.
Und ein wenig Angst.

Die Bohrvorrichtung war bereits zum Notaufzug umgebaut worden —
ein Stahlkäfig, befestigt am Primärkabel des Schachtes, Platz für zehn Personen.

Ren stieg als Erster ein, die Hände ruhig auf den Bedienelementen.

Der Motor summte.
Die Plattform zitterte—
und begann dann ihren langsamen Abstieg in den frisch gebohrten Tunnel.

Was Minuten dauerte, fühlte sich an wie Stunden.

Eine angespannte Stille lag über der Gruppe.
Das einzige Geräusch: das Grollen der Seilwinde und das eigene Atmen in den Helmen.

Stirnlampen tanzten über die Schachtwände.
Ihre Schatten wanden sich in Stahl und Stein.

Ren sah sich um.

Sky umklammerte das Geländer. Ihr Gesicht verborgen, aber die Knöchel weiß.
Sphinx stand regungslos, doch sein Atem ging schnell—zu schnell.
Doc murmelte etwas.
Ein Gebet?

Mamba tippte auf den Probenbehälter an ihrer Hüfte, die Augen ruhelos.
Pixel fummelte an seinem Gerät herum, murmelte:

„Willkommen im Abgrund...“

Echo überprüfte den Kamerafeed, kontrollierte die Verbindung.
Thunder war unbewegt wie immer.
Und Shade—still wie ein Schatten—stand just außerhalb des Lichtkegels.
Wachsam. Messend.

Der Aufzug ruckte.
Harte Scheinwerfer fluteten nach vorn und fingen das runde Ende des Schachts.

Gebohrter Stein glänzte feucht—
Wände glatt wie geschmolzenes Glas.

Vor ihnen öffnete sich ein Tunnel.
Perfekt rund.
Schwarz wie Pech.

„Wir sind da,“
sagte Ren leise und trat als Erster hinaus.

Er hob die Hand—Vorsicht.
Und ging in die Dunkelheit.

Stirnlampen flackerten auf Obsidianwänden.
Zu glatt für Erosion.
Zu präzise für die Natur.

„Das wurde nicht gehauen,“
murmelte Sky hinter ihm.
„Es wurde… gebaut.“

Die anderen folgten. Ihre Lichtkegel schnitten wie Klingen in die Dunkelheit.

Ihre Schritte hallten im Korridor—verstärkt durch Stille.

Die Luft war kalt. Still.
Kein Schimmel.
Kein Verfall.
Kein Leben.
Nur Staub unter den Füßen—weich und uralt.

Der Tunnel weitete sich.
Die Wände wölbten sich—

Und dann — plötzlich — Leere.

Das Team stolperte in eine Kaverne so riesig,
dass ihre Lampen in der Schwärze verschwanden.

„Zusätzliche Beleuchtung aktivieren,“
befahl Sky scharf.

Ein Dutzend Flutlichter zuckten an.

Und was sie dann sahen—
raubte ihnen den Atem.

Kapitel 8: Die zweite Schicht – Teil 2

Die Flutlichter durchbrachen die Dunkelheit—
—und gaben das Unmögliche preis.

Vor ihnen öffnete sich eine Kaverne,
groß genug, um einen Wolkenkratzer zu verschlingen.

Die Wände glänzten wie aus Obsidian oder vulkanischem Glas—
schwarze Spiegel, gesäumt von gläsernem Schimmer.
Stalaktiten hingen von der Decke wie die Zähne eines schlafenden Ungeheuers,
doch keiner von ihnen wirkte natürlich.
Zu symmetrisch.
Zu gezielt.

Es war keine Höhle.
Es war ein Raum.
Ein Raum, den jemand entworfen hatte.

„Mein Gott…“
Sphinx’ Stimme zitterte durch die Komms.
„Das… das ist keine Geologie. Das ist Architektur.“

Sie bewegten sich wie ein einziger Körper—
vorsichtig, ehrfürchtig.

Der Boden unter ihren Stiefeln war glatt, leicht konkav,
als wolle er sie führen, sanft, aber bestimmt.

In der Mitte des Raumes glomm ein schwaches Licht.

„Lichtquelle voraus,“
meldete Echo.
„Nicht elektrisch. Ursprung unbekannt.“

Ren ging als Erster voran, schwenkte sein Licht über den Boden.

Feine Linien tauchten auf—wie Schaltkreise.
Eingravierte Muster, zart und komplex,
zogen sich über das Gestein und konvergierten im Zentrum.

Im Herzen des Raumes erhob sich ein Pfeiler.
Und darauf…

Ein Thron?

Nein—kein Sitz.
Eine Wiege.

Gefertigt aus demselben obsidianartigen Stein.
Darin ruhte eine Form, halb verdeckt von Staub und Zeit.

„Es ist… ein Sarkophag,“
sagte Sky atemlos.

Ren nickte langsam.
Es war weder ägyptisch
noch maya
noch irgendetwas Bekanntes.

Er trat näher, wischte den Staub beiseite.

Weitere Symbole.
Vertraut—und doch fremd.

Sumerische Keilschrift, neben Hieroglyphen.
Und darunter etwas anderes—gebogene, pilzartige Linien.

Das Symbol wieder.
Das Gehirn, umwoben von Myzelienfäden.

„Das sind sie,“
flüsterte Pixel.
„Dasselbe wie auf dem Würfel. Und der Kugel.“

„Und am Tor,“
fügte Sky hinzu.

„Das hier muss ein zentraler Knotenpunkt sein,“
murmelte Ren.
„Nicht einfach ein Raum.
Ein… Schrein?
Ein Kontrollzentrum?“

Sphinx kniete am Fuß des Pfeilers,
fuhr mit behandschuhten Fingern über die Gravuren.

„Diese Sprachen dürften nicht nebeneinander existieren,“
murmelte er ehrfürchtig.
„Und doch tun sie es.
Hier.
Umschrieben. Vereinigt.“

„Als wollte jemand sicherstellen,
dass jeder das lesen kann—egal wann er kommt,“
sagte Sky neben ihm.

„Oder…
etwas anderes, das es schrieb,“
sagte Ren.
„Etwas Uraltes.
Und das noch immer wartet.“

Ein leises Beben durchlief den Boden.
Kaum spürbar.
Wie ein Ausatmen der Welt.

„Hat das noch jemand gespürt?“
fragte Doc.

„Seismische Aktivität?“
Mambas Stimme wurde scharf.

„Keine registrierte Bewegung,“
antwortete Echo.
„Es kam nicht von oben.
Es kam von unten.“

Sie blieben reglos, lauschten.
Nichts.
Nur Stille.

Dann—

„Ich empfange neue Werte,“
rief Pixel.
„Da wacht etwas auf.
Energiesignaturen.
Es ist, als wäre der ganze Ort ein Kondensator—und wir haben gerade den Schalter umgelegt.“

Das Licht im Zentrum pulsierte erneut—
diesmal heller.
Und nun hatte es einen Rhythmus.

Einen Herzschlag.

Ren sah zu Sky.

„Wir haben etwas geöffnet.“

„Wir sind über den Punkt ohne Rückkehr hinaus,“
sagte sie ruhig.

„Dann gehen wir weiter,“
erwiderte er.

Sie nickte.

„Team, Formation einnehmen.
Vollständiges Scan-Protokoll.
Niemand entfernt sich.
Wir behandeln diesen Ort, als wäre er lebendig—denn das könnte er sein.“

Ihre Worte blieben wie Blei in der Luft hängen.

Und während sie sich tiefer in die Kammer bewegten,
geführt von Licht und Instinkt,
schien die Wand zu lauschen.

Zu beobachten.

Die zweite Schicht war durchbrochen.
Doch das, was darunter lag…

…hatte gerade erst begonnen sich zu regen.

Kapitel 9: Die Rückkehr von Atlantis – Teil 1

Sie standen am Rand einer gewaltigen unterirdischen Höhle.
Ihre Höhe und Breite waren nicht zu fassen—
die Dunkelheit verschluckte alles.

Doch Dutzende riesiger Kristalle, die wie gefrorene Sternbilder an der Decke hingen,
brachen das Licht in tausend Reflexe
und verstreuten es wie zersplitterte Sterne.

Über ihren Köpfen schimmerte das Kristalldach wie ein verborgener Himmel.
Doch selbst das war nicht das,
was ihnen den Atem raubte.

Unter ihren Füßen—
im flimmernden Halbdunkel der Höhle—
breitete sich eine uralte Stadt aus.

In den Stein selbst gehauen,
führte eine breite Treppe von ihrer Plattform hinab
ins Herz der Ruinen.

Was sie sahen, trotzte der Vernunft.
Und doch—
war es überwältigend schön.

Türme. Kolonnaden. Pyramiden. Zikkurats. Tempel.
Architekturstile aus jeder bekannten Ära—ägyptisch, sumerisch, hellenisch—
und andere, ohne erkennbaren Ursprung,
flossen nahtlos zusammen zu einem Mosaik jenseits jeder Zeit.
Eine Zivilisation, gebaut außerhalb des Kalenders.

Im Zentrum der Stadt herrschte Dunkelheit.
Nur ein schwaches Kristallleuchten zeichnete undeutliche Umrisse.
Keine Fackeln. Kein Licht. Keine Bewegung.

Aber die Stadt wirkte nicht verlassen.
Sie wirkte… schlafend.
Wartend.

Niemand sprach.
Bis Pixel die Stille mit einem nervösen Lachen brach.
Er zog den Helm ab, die Augen weit aufgerissen.

„Wir… wir haben sie wirklich gefunden…“

Skys Stimme zitterte, als sie ebenfalls den Helm abnahm,
ihr Atem stockte.

„Atlantis,“
flüsterte sie.
„Wir stehen in Atlantis.“

Sphinx trat vor, die Stimme rau und schwer vor Emotion.

„Willkommen in der Geschichte, meine Freunde…“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch erleben würde.“

Tränen glänzten auf seinen wettergegerbten Wangen.

Kompass richtete seinen Lichtstrahl die erste Straße hinunter.
Die Schatten von Statuen und zerbrochenen Säulen zuckten im bewegten Licht,
als würde die Stadt träumen—
und kurz davor stehen, zu erwachen.

„Wir steigen hinab,“
befahl er, leise, aber bestimmt.

Sie folgten ohne Zögern.
Jeder Schritt auf der Treppe fühlte sich an,
als beträte man heiligen Boden.

Niemand sprach.
Das Schweigen wurde mit jedem Meter schwerer.
Es fühlte sich an, als lausche die Stadt selbst.

Auf dem glatten Steinweg lagen verstreute Relikte:
goldene Armreifen, silberne Kelche, zerbrochene Keramik.
Unberührt. Unversehrt.
Als wären die Menschen mitten im Satz verschwunden.

Sphinx bückte sich und hob eine dünne Goldplatte auf,
die mit Symbolen graviert war.

„Griechische Buchstaben… und sumerische Keilschrift,“
murmelte er.
„Zusammen auf demselben Artefakt…
wie die Echos aller Zivilisationen,
hier geschichtet.“

Echo ließ seinen Strahl über einen Münzhaufen unter einer abgenutzten Statue gleiten.

„All die Schätze der Welt,“
flüsterte er.
„Einfach da.
Wie vergessener Staub.“

Rivet streckte die Hand aus und berührte ein gesprungenes Relief,
ihre Stimme leise, beunruhigt.

„Warum sollten sie all das zurücklassen?
Gold wie dieses…
das sind Milliarden an Wert.“

Thunders Stimme war ruhig hinter ihr.

„Vielleicht hatte Gold für sie keine Bedeutung.
Oder… sie wollten zurückkehren.“

„Aber sie taten es nicht,“
sagte Mamba, kühl und nüchtern.
„Etwas hat sie aufgehalten.“

Sie erreichten einen breiten Platz.
Ringsum standen Statuen—
von Göttern, von Helden, einige bekannt,
andere wie aus einem Traum oder vergessenen Mythos gerissen.

Sphinx erstarrte vor einer großen Marmorplatte.
Er hob die Taschenlampe. Die Gravuren glitzerten.

„Hier—seht,“
rief er.
„Das sind Szenen aus dem Mythos von Theseus und dem Minotaurus.“

In den Stein gemeißelt war die Figur eines Kriegers mit erhobenem Schwert,
über einem gefallenen Biest.

Doch die Details waren… seltsam.
Das Gesicht von Theseus wirkte zu modern,
seine Rüstung kantig, fast synthetisch.
Und die Wände des Labyrinths waren nicht mit typischen Meandern verziert,
sondern mit komplexen Symbolen—

Plänen.

Bauplänen.

„Und dieses hier!“
Docs Stimme war rau vor Unglauben.
„Herakles, der die Hydra erschlägt… aber seht—ihre Köpfe…
sie sind mechanisch.“

Sphinx eilte von Wand zu Wand,
seine Taschenlampe zitterte in der Hand.

„Olympische Götter… diese Fresken…“
„Was, wenn Mythologie keine Fiktion war?“
flüsterte er.
„Was, wenn es Erinnerung war?“

„Die Erinnerung von Atlantis…“

Das Staunen begann zu bröckeln—
und wich etwas anderem.
Etwas Kälterem.
Etwas, das wartete.

Kapitel 9: Die Rückkehr von Atlantis – Teil 2

Sie standen inmitten der Plaza.
Über ihnen flackerte kristallenes Licht auf den Statuen der Götter—
Zeus mit Donner in den Augen,
Anubis, der vergessene Tore bewachte,
eine Frau mit spiralförmigem Kopfschmuck,
die etwas hielt, das fast… digital wirkte.

Jede Figur ragte über ihnen—
stumm und gewaltig,
als würde sie beobachten.

Pixel murmelte leise:

„Dieser Ort fühlt sich an wie ein Museum… gebaut von Zeitreisenden.“

Sphinx lachte nicht.
Er war zu sehr gefesselt.
Er bewegte sich wie in Trance an den Wänden entlang,
las laut von einer weiteren Steintafel:

„Sie schrieben über das ‘Große Schweigen’,“
flüsterte er, während seine Finger die Linien nachzogen.
„‘Wenn die tiefe Stimme sich erhebt, dürfen die Tore niemals geöffnet werden…’“

Sein Atem stockte.

„Das ist Akkadisch.
Aber direkt daneben stehen… Hieroglyphen.
Das dürfte nicht möglich sein.“

Kompass ließ seinen Blick langsam über die Plaza gleiten.
Statuen. Fresken. Symbole, die kein lebender Mensch entschlüsseln konnte.
Und doch waren sie da—
offensichtlich erbaut,
nicht eingebildet.

Sky blieb in seiner Nähe,
ihr Blick suchte die Architektur ab.

„Es ist, als hätte jemand diesen Ort gebaut…
als Konvergenzpunkt“, sagte sie leise.
„Nicht nur eine Zivilisation—viele.
Als hätten sie alle von diesem Ort gewusst.“

„Oder wurden hierher gebracht,“
murmelte Kompass.
„Um etwas zu erleben. Oder es zu beschützen.“

Doc blieb neben einem zerborstenen Obelisken stehen.
In dessen Oberfläche waren konzentrische Kreise eingraviert—
wie ein Gehirn,
doch mit Ausläufern wie pilzartige Adern.

Er sah zu Sphinx.

„Siehst du es?“
fragte er.
„Das ist nicht mehr nur Mythologie.“

„War es nie,
sagte Sphinx.
„Wir haben nur vergessen, wie man sie liest.“

Hinter ihnen durchbrach Mambas Stimme die Stille—
kalt und präzise:

„Dieser Ort ist kein Zufluchtsort“,
sagte sie.
„Er ist eine Eindämmungszone.“

Alle drehten sich zu ihr um.
Sie trat auf die Plaza, ihre Schritte hallten.
Ihr Blick durchbohrte die unbewegliche Stille.

„Keine Menschen. Kein Verfall. Keine Leichen.“
„Etwas hat das Leben gestoppt.
Und was auch immer es war… es funktioniert noch immer.“

Thunder nickte langsam, trat neben sie.

„Sie haben ihn nicht verlassen.
Sie wurden… ausgelöscht.“

Sphinx schüttelte den Kopf, leise widersprechend.

„Oder sie wurden ein Teil davon,
sagte er.
„Kein Staub. Keine Verwitterung.
Die Stadt ist… konserviert.“

„Konserviert heißt nicht sicher,“
sagte Mamba.
„Es heißt: Sie wurde versiegelt.“

Pixels Lächeln verschwand.
Er schaltete seine Kamera aus.

Zum ersten Mal,
seit sie die Stadt betreten hatten,
sprach niemand mehr.

Sie standen unter kristallnem Licht,
unter stummen Statuen und unentzifferbaren Gravuren,
und etwas in der Stille verschob sich.

Kompass spürte es.
Es war nicht mehr nur Ehrfurcht.
Es war… Gegenwart.

Die Stadt beobachtete.

Sky war es, die als Erste die Stille durchbrach—
ihre Stimme ruhig, fest:

„Wir gehen weiter.
Es gibt noch mehr zu entdecken.“

Kompass nickte, bewegte sich aber nicht sofort.

Er sah nach oben—
zu den dunklen Türmen,
den verschmolzenen Kulturen,
der unmöglichen Präzision.

Atlantis war zurückgekehrt.
Und es hatte auf sie gewartet.

Kapitel 10: Unter der Maske der Legende – Teil 1

„Wartet,“
sagte Rivet scharf und hob die Hand.

Das Team hielt augenblicklich an.
Ihr Lichtstrahl durchbohrte eine schattige Nische zur Rechten.
Was zuerst wie Geröll gewirkt hatte, begann Form anzunehmen—
dunkle Haufen.
Ungewöhnlich regelmäßig.

Als sie sich näherten, legte sich eine kollektive Stille über die Gruppe.

Schuhe.

Reihen um Reihen.
Hunderte. Tausende.
Ordentlich angeordnet,
als hätte jemand sie sorgfältig dort platziert.
Winzige Sandalen, abgetragene Stiefel, zarte Pantoffeln.
Schuhe jeder Art, Größe und Machart—
geschichtet in ernsten, stillen Linien.

Daneben:
gefaltete Kleidung.
Roben, Tuniken, Umhänge, Kinderkleider.
Sanft gestapelt, vom Staub gemildert,
aber unberührt von der Zeit.
Als hätten ihre Träger sich ruhig entkleidet
und alles zurückgelassen, was sie trugen.

Doc kniete langsam nieder,
sein behandschuhter Arm zitterte leicht,
als er eine kleine Sandale aufhob.
Ein Teil des Leders brach unter seinem Griff,
und ein Hauch von Staub rieselte zu Boden.

„…Das ist wie…“
begann er,
verstummte dann.

Er musste den Satz nicht beenden.
Alle verstanden.

Sie hatten alle diese schwarz-weißen Bilder gesehen.
Berge von Habseligkeiten,
zurückgelassen in den dunkelsten Kapiteln der Menschheitsgeschichte.

„So gehen Menschen nicht,“
murmelte Kompass.

Ein kalter Schauer breitete sich in seiner Brust aus.

„Es sei denn…“
fuhr er leise fort,
„sie wurden mitgenommen…“

„Oder geopfert,“
flüsterte Sky neben ihm,
ihre Stimme kalt und hohl—
wie die Stille vor einem Sturm.

Niemand antwortete.
Nur der flackernde Strahl von Rivets Lampe bewegte sich weiter,
warf blasses Licht über Stoff und Schuhe,
während das Team weiterging.

Der Gang wurde enger. Dunkler.
Ihre Schritte hallten lauter als zuvor,
hallten durch die Kammer wie ferne Glocken.

Keine Knochen.
Keine Überreste.
Keine Gräber. Keine Asche.

Nur das Schweigen der Abwesenheit.
Und die unheimliche Beharrlichkeit des Zurückgelassenen.

„Wo sind sie hin?“
flüsterte Echo,
während er die Schatten absuchte,
als erwartete er,
dass durchscheinende Gestalten aus den Wänden treten würden.

Keine Antwort.
Nur das Wispern von Staub unter ihren Stiefeln.

Schließlich weitete sich der Gang—
zu einer gewaltigen Vorhalle aus schwarzem Obsidianstein.

Am Ende erhob sich ein Paar gigantischer Tore—
mindestens zwanzig Meter hoch.
Monolithisch. Schwarz. Alt.
Sie standen da wie Wächter einer unbekannten Welt.

Und sie waren bedeckt mit Zeichen.

Tief in den Stein geritzte Symbole—
einige sofort erkennbar:
Ägyptische Hieroglyphen, sumerische Keilschrift.

Aber andere…
fremdartig.
Winkelhaft.
Fließend in Mustern,
die dem menschlichen Auge entglitten.

Sphinx trat ehrfürchtig vor,
strich mit der Handfläche über den Stein.

„Hieroglyphen… Keilschrift… und etwas anderes.
Etwas, das ich nicht zuordnen kann.“

Er beugte sich näher.

„Unterschiedliche Sprachen… verwoben.
Als ob Zivilisationen hier ihre letzten Worte hinterließen.“

„Oder Warnungen,“
sagte Kompass leise,
die Augen verengt.

„Oder Epitaphe,“
ergänzte Mamba,
ihre Stimme scharf wie zerbrochenes Glas.
„Für jene,
die eines Tages die Toten finden würden.“

Sphinx’ Finger hielten an einem breiteren Schriftband inne—
eine Zeile, tiefer geschnitten als alle anderen,
eingefasst von Spiralen und zerbrochenen Sigillen.

Er atmete tief ein und las vor,
seine Stimme unsicher,
als trügen die Worte mehr Gewicht als nur Stein:

„Einhundertzwanzig Jahre…
bis zum Tod durch Wasser.“

Die Kammer verstummte.
Die Worte hallten—
einmal, zweimal—
und verschwanden im Dunkel über ihnen.

Kapitel 10: Unter der Maske der Legende — Teil 2

Das Echo von Sphinx’ Stimme verklang langsam und wurde von der gewölbten Stille der Kammer verschluckt.
Niemand rührte sich.

„Hundertzwanzig Jahre …“
flüsterte Echo schließlich.
„… bis was?“

Seine Stimme brach leicht, als er fragte, doch niemand antwortete. Nicht sofort.

Sky war blass geworden, ihre Lippen zu einer schmalen Linie gepresst. Kompass trat vor, die Augen fest auf die gewaltigen Tore gerichtet, als versuche er, das Unmögliche zu begreifen.

„Ein Countdown?“,
murmelte er.
„Eine Warnung für künftige Generationen?“

Sphinx sagte kein Wort. Er starrte noch immer auf die Worte, die er gerade gelesen hatte—als würden deren Bedeutung erst jetzt langsam in seinen Knochen ankommen.

Doc stieß einen zitternden Atemzug aus. Er hatte sich nicht bewegt, seit er die Kindersandale aufgehoben hatte. Sein Blick glitt langsam durch die Kammer.

„Keine Überreste“,
sagte er, mehr zu sich selbst als zu den anderen.
„Kein Blut. Keine Knochen. Nur … das hier.“

Rivet verschränkte die Arme, stand steif neben den Kleiderhaufen.

„Sie haben sich auf etwas vorbereitet“,
sagte sie leise.
„Als hätten sie gewusst, dass es kommt. Und trotzdem haben sie es nicht geschafft.“

„Oder vielleicht doch“,
warf Mamba ein und trat näher ans Tor.
„Vielleicht sind sie woanders hingegangen. Haben das hier zurückgelassen. Abgeworfen wie eine Haut.“

Ihr Ton war flach, doch da war etwas dahinter.
Ein Hunger vielleicht. Oder eine Herausforderung.

Sky antwortete nicht. Stattdessen wandte sie sich an Kompass.

„Und? Was jetzt?“,
fragte sie.

Kompass zögerte kurz.

„Wir öffnen es“,
sagte er.

Keiner widersprach.

Gemeinsam näherten sie sich dem dunklen Tor.
Je näher sie kamen, desto mehr Details fielen ihnen auf—Rillen im Steinboden, wie Schienen.
Fahle Abdrücke im Staub, als hätte sich hier einst etwas Gewaltiges bewegt.

Sphinx untersuchte die Ränder des Tors mit behandschuhter Hand.

„Kein Griff“,
murmelte er.
„Aber diese Linien—vielleicht passen sie zu einem Mechanismus …“

„Zurücktreten!“,
rief Rivet, bereits mit aktiviertem Scanner.

Nach wenigen Sekunden leuchtete ein grünes Signal auf ihrem Handgelenkdisplay auf.

„Magnetverriegelung. Uralt, aber noch aktiv.“

Sie blickte zu Kompass und nickte kurz.

„Bereit, wenn du es bist.“

Kompass holte tief Luft.

„Mach es.“

Rivet tippte auf das Bedienfeld.
Zuerst—nichts.

Dann … ein tiefes Grollen.
Eine Vibration breitete sich unter ihren Füßen aus, Staub rieselte in feinen Strömen von der Decke.

Langsam begannen die Tore sich zu öffnen.
Ein schwarzer Spalt öffnete sich inmitten von Schwärze, bis sich beide Hälften mühsam so weit zurückzogen, dass eine Person sich seitlich hindurchzwängen konnte.

Ein Luftzug strömte aus der Dunkelheit—trocken, abgestanden, aber mit etwas … Elektrischem durchzogen.
Wie die Erinnerung an Ozon nach einem Blitzschlag.
Wie ein Atem, zu lange angehalten.

Kompass trat in den schmalen Spalt, die Taschenlampe erhoben.

Ein Korridor erstreckte sich dahinter—schmal, glatt, unmöglich sauber.

„Das wurde nicht gemeißelt. Das wurde konstruiert“,
murmelte Sphinx.

Niemand widersprach.

Einer nach dem anderen folgten sie ihm.

Hinter ihnen schlossen sich die Tore nicht—aber sie blieben auch nicht offen.
Sobald die letzte Person durchgetreten war, erstarrten sie … als würden sie beobachten.

Drinnen war die Luft dichter.
Sie gingen schweigend weiter, ihre Schritte gedämpft vom makellosen Boden.
Die Wände bestanden aus einem dunklen, nahtlosen Material—weder Stein noch Metall, sondern etwas dazwischen.
In die Oberfläche waren feine Linien eingraviert—Geometrien, die an Sternbilder erinnerten … oder an Schaltkreise.

Docs Stimme durchbrach die Stille.

„Was, wenn dieser Ort für immer versiegelt bleiben sollte?“

„Dann hätte der Schlüssel nicht überleben dürfen“,
entgegnete Mamba sofort, scharf.

Kompass warf ihr einen Blick zu, sagte aber nichts.

Sie gingen weiter.

Schließlich wurde der Gang breiter—und sie traten in eine weitere riesige Kammer.

Die Luft war kälter hier.

In der Mitte stand ein Monument:
ein gewaltiger Obelisk aus demselben dunklen Material, vom Sockel bis zur Spitze mit Symbolen bedeckt.
Um seinen Fuß standen Statuen—halb Mensch, halb Maschine.

Und in ihrer Stille sprach die Stadt erneut.

Nicht mit Worten …

Sondern mit Gegenwart.

Kompass spürte es in seiner Brust.
Wie ein zweiter Herzschlag, der nicht seiner war.

„Das war nicht einfach nur eine Stadt“,
sagte Sky leise, aber bestimmt.
„Es war eine Warnung.“

Niemand wagte zu widersprechen.
Nicht mehr.

Kapitel 11: Warnung aus der Vergangenheit — Teil 1

Schwere Stille hing unter dem gewölbten Stein der uralten Stadt.
Die Worte von Professor Sphinx hallten noch schwach nach, bebend unter der Last dessen, was er gerade vorgelesen hatte:

„120 Jahre, bis das Wasser kommt.“

Die Inschrift, eingraviert in das massive Tor, war gefallen wie ein Urteil aus einer anderen Welt.

Skylar „Sky“ Montgomery war die Erste, die sprach—ihre Stimme kaum hörbar und erfüllt von Ehrfurcht.

„Sie wussten es … Sie wussten, dass die Flut kommt. Aber … das war doch nur eine Legende. Oder nicht?“

Ren „Kompass“ Wayland trat langsam vor, die Stimme beherrscht, aber von Spannung durchzogen.

„Wenn das hier echt ist … dann haben wir etwas gefunden, das alles erschüttert, was wir zu wissen glaubten. Atlantis ist kein Mythos mehr. Es ist eine Warnung.“

Er streckte die Hand aus und strich mit der Handfläche über die kalte Oberfläche des Tores.

„Die Frage ist—sind wir bereit, zu sehen, was sie versteckt haben?“

Sphinx beugte sich näher, fuhr mit ehrfürchtigem Finger über die alten Linien.

„Hier steht … ‘Um die Tiefen des Betrugs zu öffnen, benutze den Verstand.’“

„Ein Rätsel?“,
murmelte er.
„Oder wörtlich gemeint?“

„Vielleicht heißt es … kräftiger drücken“,
knurrte Rivet, während sie mit ihren metallverstärkten Händen bereits den Stein auf Hebelwirkung prüfte.

Doch sie hatte noch nicht einmal richtig gedrückt, als ein tiefes mechanisches Stöhnen die Luft erfüllte.

Alle erstarrten.

An Rens Gürtel begann der Würfel zu pulsieren.
Ohne nachzudenken, öffnete er die Sicherung—
und in dem Moment, als seine Finger die Oberfläche berührten, ertönte ein leises Klicken.

Der Würfel begann sich zu bewegen, Schicht um Schicht entfaltete sich, bis ein verborgener Mechanismus sichtbar wurde: eine zweite Ebene eingravierter Symbole, schwach glühend wie alte Glut, die wieder zum Leben erwacht.

Sphinx sog scharf die Luft ein.

„DINGIR … sumerische Keilschrift für ‚Gott‘ …“

Er deutete erneut, die Stimme zitternd.

„Das ägyptische Zeichen für ‚Götter‘. Und hier—ANKH. Nicht nur Leben. Ewiges Leben.“

Niemand sprach. Selbst das Summen ihrer Anzüge schien zu verstummen.
Sphinx’ Hand verharrte knapp über dem Würfel, als fürchte er, ihn weiter zu berühren.

„Sie haben nicht nur über Unsterblichkeit geschrieben. Sie haben sie gesucht.“

„Du willst sagen … sie wollten zu Göttern werden?“,
flüsterte Sky, ihr Gesicht bleich unter dem Visier.

Er nickte langsam und zeigte auf eine Zeile, eingebrannt in das Metall wie eine Signatur:

„DINGIR.NA.BA.KI — Aufstieg zu den Göttern.“

Ren lachte trocken, nervös.

„Großartig. Kein simples Artefakt … das ist eine Erklärung. Ein Versprechen von Menschen, die glaubten, sie könnten die Menschlichkeit hinter sich lassen.“

Er blickte in die Runde.

„Wenn das stimmt … dann hat vor Tausenden von Jahren jemand den Schlüssel zur Unsterblichkeit gefunden.“

Die Luft wurde schwer—beladen mit etwas Uraltem.
Als hätte das Wissen selbst Gewicht.

Dann ein tiefes Grollen. Etwas bewegte sich in der Tiefe.
Das Licht im Würfel flackerte und wurde schwächer.

Sky durchbrach die Stille.

„Das darf nicht an die Öffentlichkeit. Noch nicht. Nicht, bevor wir wissen, womit wir es zu tun haben. Das hier ist zu gefährlich.“

Mamba trat langsam vor. Das Licht spiegelte sich in ihren Augen wie Feuer.

„Vom Moment unserer Geburt an beginnen wir zu sterben“,
sagte sie leise, die Stimme geschärft von Überzeugung.
„Wenn es auch nur den Hauch einer Chance gibt, diese Wahrheit zu durchbrechen—ist jedes Risiko es wert.“

Ren wandte sich ihr zu, seine Stimme plötzlich kalt.

„Wenn das nach außen dringt, wird es die Menschheit nicht vereinen. Es wird einen globalen Krieg auslösen. Und das weißt du.“

„Vielleicht“,
sagte Mamba fast sanft.
„Aber ist das Risiko größer als der Tod selbst? Niemand fragt, ob der Tod ‚sicher‘ ist. Man akzeptiert ihn einfach.“

„Und manchmal wird man zu ihm“,
murmelte Doc.

Wieder wurde es still.

Dann trat Sky vor. Ihre Stimme war ruhig, fest.

„Was, wenn wir das hier finden sollten? Zwei Teile desselben Artefakts, auf gegenüberliegenden Seiten der Welt ausgegraben … und hier zusammengeführt. Das ist kein Zufall.“

Sie sah in die Runde.

„Das fühlt sich an wie Bestimmung. Wie ein Ruf, dem wir gefolgt sind.“

Ihre Worte hallten wie ein Glockenschlag im Nichts.
Niemand rührte sich.

Im Hinterkopf von Ren entfaltete sich eine Alternative—eine, die er kaum zu denken gewagt hatte:
Sie könnten umkehren.
Den Schacht sprengen.
Die Aufzeichnungen löschen.
So tun, als wären sie nie hier gewesen.
Atlantis wieder im Schweigen des Mythos versinken lassen.

Aber …

Neugier ist lauter als Vorsicht.

Ein letzter Moment des Schweigens.

Dann sprach Mamba, ihre Stimme wie Stahl:

„Wir haben keine Wahl. Die Antworten liegen hinter diesen Türen.“

Ren nickte langsam.

„Dann öffnen wir sie.“

Kapitel 11: Warnung aus der Vergangenheit — Teil 2

Das Tor leistete zunächst Widerstand—ein uraltes Gewicht, das sich weder von Zeit noch von Ehrgeiz bewegen ließ.

Rivet trat vor, ließ die Fingerknöchel durch die Servos ihres Exosuits knacken.

„Ich versuch’s mal mit der sanften Methode“,
murmelte sie mit einem Grinsen und stemmte sich gegen das massive Steinwerk.

Die Servomotoren ihres Anzugs ächzten, Metall schabte gegen Stein.
Einen Augenblick lang geschah nichts—dann krachte es plötzlich laut.
Die riesige Scharnierverbindung bewegte sich.

„Es bewegt sich!“,
rief sie.
„Los—helft mit!“

Sky und Thunder eilten zur einen Seite. Ren und Shade nahmen die andere.
Gemeinsam, mit angespannter Muskulatur und pochenden Herzen, stemmten sie sich dagegen.

Das Tor öffnete sich mit einem Laut, als würde die Erde selbst ausatmen.
Stein schabte über Stein. Staub fiel in dichten Schleiern.

Und dann—

Ein Hauch.

Ein Atemzug, kälter als jede Tiefseegrube.
Er strömte aus der Dunkelheit wie ein Flüstern aus dem Abgrund.

Alle zuckten zurück.
Sogar Rivet wich einen Schritt zurück, blinzelnd.

Der Tunnel dahinter fiel steil ab, versank in einem Schwarz, das selbst die Lichtkegel ihrer Lampen verschluckte.

„Da ist etwas Lebendiges da unten“,
murmelte Pixel.
„Nicht wörtlich … eher etwas Uraltes. Das beobachtet.“

Doc richtete seine Handschuhe.
Die Stille legte sich um sie wie eine zweite Haut.

„Das habe ich schon einmal gespürt“,
sagte er wie in Trance.
„In Seuchenkammern … Orten, an denen der Tod eingezogen ist und nie wieder ging.“

„Das hier ist kein Tod“,
erwiderte Mamba.
„Es ist Erinnerung. Die auf Wiedergeburt wartet.“

Ren starrte in den Tunnel, die Augen schmal zusammengezogen.
Seine Hand schloss sich instinktiv um den Würfel.

„Wir wissen nicht, was da unten ist“,
sagte Sky, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.

„Nein“,
stimmte Ren zu.
„Aber genau deshalb sind wir hier.“

Er drehte sich zum Team—seinem Team.

Manche Gesichter zeigten Angst. Andere Entschlossenheit.
Aber keiner war bereit umzukehren.

„Leichte Ausrüstung“,
sagte er.
„Überprüft eure Systeme. Wir gehen vorsichtig, langsam—und gemeinsam.“

„Und wenn es eine Falle ist?“,
fragte Rivet, während sie bereits eine Schulterplatte justierte.

„Dann lösen wir sie zu unseren Bedingungen“,
antwortete Ren.

Sie setzten sich in Bewegung—als Einheit.

Lichter flackerten auf an Helmen und Anzügen.
Der Eingang wirkte jetzt noch weiter, die Luft darin feucht und elektrisch, aufgeladen mit Erwartung und etwas Unbenennbarem—
etwas Altem.

Und immer noch pulsierte der Würfel leise an Rens Seite.

Ein Herzschlag aus der Vergangenheit, der sie weiter rief.

Sie traten in den Tunnel.

Und die Dunkelheit … hieß sie willkommen.

Kapitel 12: Der Tunnelwächter — Teil 1

Doc war der Erste, der seine Fassung wiederfand.
Er kniete sich an die Wand und aktivierte seinen tragbaren Scanner. Ein sanftes grünes Pulsieren antwortete.

„Sauerstoffwerte im Normbereich … hohe Luftfeuchtigkeit … Sporen nachgewiesen“,
murmelte er.
„Aber noch im sicheren Rahmen. Vorerst.“

Sky und Ren bewegten sich bereits weiter nach vorne, ihre Helmlampen schnitten durch das Dunkel.
Die Wände um sie herum glänzten—feucht, dunkel, unnatürlich glatt.

Dann traf das Licht etwas Massives.

Sie traten in eine Kammer, die von einem gewaltigen Monolithen dominiert wurde.
Er ragte empor—pechschwarz, klingenförmig und vollkommen nahtlos—wie ein Schwert, das tief in das Herz des Planeten gerammt worden war.

„Ein Obelisk … oder eine Klinge“,
flüsterte Echo.

„Doc?“,
fragte Ren leise.

Doc kniete nieder und wischte den Staub vom Sockel.

„Das ist kein Stein“,
sagte er langsam.
„Verbundmaterial … Mineralien verschmolzen mit Metall. Aber nichts, was ich kenne. Es ist synthetisch. Hergestellt. Ein Gerät.“

Sphinx umrundete den Monolithen, die Hand über die glatte Oberfläche gleitend.

„Keine Inschriften“,
sagte er mit gerunzelter Stirn.
„Das Tor hatte welche. Das hier … schweigt.“

„Vielleicht ist es nur Dekoration“,
warf Rivet ein, aber ihre Stimme klang alles andere als überzeugt.

Pixel hatte bereits einen Scanner gezückt und las die Werte ab.

„Kaum. Ich messe Hohlräume im Inneren. Kein Vollmaterial. Es ist … hohl. Könnte eine Kammer sein. Oder eine Waffe.“

„Vorsicht“,
warnte Sky.
„Könnte auch eine Falle sein.“

„Verbundlegierungen, Energiesignatur, interne Kavitäten …“,
murmelte Pixel.
„Könnte ein Reaktor sein. Eine Rakete. Oder etwas noch Fremderes.“

Mamba, die das Objekt seit Betreten der Kammer nicht aus den Augen gelassen hatte, sprach mit tiefer Stimme:

„Wenn es eine Waffe ist, müssen wir sie verstehen. Sie könnte ein Vorteil sein … oder eine Bedrohung.“

Und dann, zum ersten Mal, trat Tien aus dem Schatten hervor.

„Vielleicht hat sie schon gefeuert“,
sagte er.
„Vielleicht wurde sie erschaffen, um etwas zu beschützen. Oder jemanden … vor dem, was tiefer liegt.“

Ren starrte in die gähnende Kehle des Tunnels jenseits des Monolithen.
Sie verschluckte das Licht—alt und unergründlich.

„Wir müssen wissen, wie weit der Tunnel reicht.“

Rivet zog einen kompakten Lasermesser aus ihrer Ausrüstung und stellte ihn vorsichtig auf ein kleines Stativ am Rand des Gangs.

„Sehen wir mal, wie tief das wirklich geht“,
murmelte sie.
„Wenn es zehn Kilometer sind, wissen wir’s gleich.“

Das Team trat zurück, als ein dünner roter Strahl nach vorne schoss—
und im Dunkel verschwand.

Der Bildschirm flackerte. Blinkende Striche.

„Kein Signalrücklauf?“,
Pixel runzelte die Stirn.
„Das kann nicht stimmen …“

Sekunden verstrichen.
Das einzige Geräusch: das Summen der Geräte, das leise Pfeifen des Scanners.

Dann—ein schriller Piepton.

Das Display leuchtete auf.
15.000 Meter.

Und dann—fielen die Zahlen.

14.950 … 14.900 … 14.850 …

„Moment mal—Echo aus fünfzehn Kilometern?!“,
rief Rivet und stürzte zum Monitor.
„Seht! Es bewegt sich. Fällt schnell. 14.700 … 14.650 …“

„Da kommt etwas“,
flüsterte Sky, als hätte sie Angst, den Zauber zu brechen.
„Schnell.“

„Signalverzerrung?“,
fragte Doc, unsicher.

„Nein“,
fuhr Ren auf und griff nach dem Scanner.
„Das ist real. Es bewegt sich. Etwas Riesiges kommt auf uns zu. Genau jetzt.“

Die Worte trafen wie ein Eisschlag.
Waffen gingen hoch.
Sicherungen klickten.

Lichtstrahlen zuckten über den Stein, verfolgten unsichtbare Bewegung.
Die Luft wurde schwer.

Dann—ein Geräusch.
Tief. Fern. Wie gigantische Zahnräder, die sich unter ihnen drehten.

Und dann das Brüllen.
Tief. Hohl. Unmenschlich.

Der Tunnel vibrierte.
Und die Dunkelheit … bewegte sich.

„Zurück!“,
rief Thunder und stellte sich instinktiv schützend vor Sky.

Das Team sprang in neue Positionen, nutzte den Monolithen als Deckung.
Waffen auf den schwarzen Korridor gerichtet.

Dann traf das Licht es.

Etwas trat hervor.
Formlos. Monströs. Überzogen von einem glitschigen, nassen Glanz.

Es wand sich, floss wie flüssiger Schatten—massiv und gestaltlos, kroch schweigend an Wänden und Boden entlang.

„Oh nein …“,
flüsterte Echo, die Hand zitternd am Funkgerät.
„Was zur Hölle ist das?!“

Keine Antwort.
Das Wesen kam näher—und jetzt sahen sie es: Metall glänzte im pulsierenden Fleisch.
Pilzgewächse hafteten an seinem Leib, wucherten wie Tumore.
Es war halb Maschine, halb Organismus—verschmolzen zu etwas Falschem.

„Feuer!“,
schrie Sky.

Ren feuerte zuerst.
Tien und Thunder folgten.

Kugeln schlugen in das Fleisch mit feuchten Schlägen.
Doch das Wesen reagierte nicht.

„Bringt nichts!“,
rief Tien und lud nach.
„Es absorbiert die Treffer!“

„Rückzug! Bewegung!“,
bellte Ren, wich Schritt für Schritt zurück.

Doch bevor sie entkommen konnten—

—leuchtete der Monolith auf.

Ein Spalt öffnete sich an seiner Spitze.
Ein Strahl aus weiß-blauem Plasma brach hervor, kreischte durch die Schädel wie ein Schwert aus Licht.

„Deckung!“,
schrie Rivet und riss die Arme vors Gesicht.

Die Klinge schoss vor.
Ein Komet aus Energie—riss in die Kreatur.

SHRRRRIIIIIIIIIIK—!

Ein zerschneidendes Kreischen hallte durch den Tunnel.

Die Klinge zerfetzte die Masse, verdampfte Pilzfleisch und metallene Glieder.
Funken stoben. Brennender Schleim spritzte gegen die Wände.

Die Kreatur schrie nicht.
Sie hatte keinen Mund.

Sie zuckte.
Dann kroch sie weiter.
Unaufhaltsam.

Aber die Klinge folgte.
Schlug erneut. Und erneut.
Jeder Hieb riss weitere Schichten des Albtraums weg.

Der Tunnel wurde zum Schlachtfeld aus Schatten und Blitzen.
Blaues Licht durchschnitt die Dunkelheit, schnitt Silhouetten in den Stein.

Dann kam der Gestank—Ozon und verbranntes Fleisch.
Er drehte den Magen um.

„Das kann nicht echt sein …“,
murmelte Pixel hinter seiner Deckung. Sein Gesicht war fahl im kalten Licht.

Niemand hatte Zeit zu denken.

Drei Minuten.
Mehr brauchte es nicht.

Das Ding …
war weg.

Asche.
Schrott.
Nichts weiter.

Die Plasmaklinge schwebte—
verharrte—
… und kehrte dann zurück in den Monolithen.

Sie glitt zurück mit einem tiefen Summen.
Stille nahm den Raum wieder ein.

Der obsidianfarbene Turm stand wieder still.
Als hätte er sich nie bewegt.

Doch der verbrannte Boden sprach die Wahrheit.
Der Krieg war real.

Taschenlampen zitterten in bebenden Händen.

Thunder sprach als Erster.

„Alle am Leben? Status?“

Nicken. Keuchen. Schwache Daumen nach oben.

Rivet sackte an der Wand zusammen, der Exosuit zischte, als sie ihn abschaltete.

Echo riss sich das Headset vom Kopf, rang nach Luft—seine Ohren dröhnten noch vom Schallchaos.

Niemand sprach.
Noch nicht.
Sie hatten keine Worte.

Kapitel 12: Der Tunnelwächter — Teil 2

Sky ließ den Blick über die Gruppe schweifen, zählte Gesichter.
Alle waren da. Keine ernsthaften Verletzungen—nur Schrammen, Prellungen und der Schock.
Irgendwie hatten sie alle überlebt.

„Das … war verdammt knapp“,
stieß sie aus, bemüht, die Stimme ruhig zu halten.

Normalerweise war Sky selbst im Angesicht von Gefahr die Ruhe selbst—aber jetzt sah auch sie erschüttert aus.

„Wenn dieses Ding uns erreicht hätte …“
Sie schüttelte den Kopf.
„Dieser uralte Mechanismus hat uns gerettet. Ein Wächter—tödlich und präzise.“

„Und er hat ausgelöst wie ein Uhrwerk“,
fügte Ren hinzu, während er seine Taschenlampe vom Boden aufhob.
Der Lichtstrahl glitt über den nun wieder stillen Monolithen.
„Dieser Komplex … lebt noch. Er verteidigt noch immer etwas.“

„Was bedeutet, dass vor uns etwas liegt, das es zu schützen gilt“,
sagte Doc düster und stieß mit dem Fuß gegen ein noch dampfendes Metallfragment.
„Oder etwas, das eingeschlossen bleiben muss. Nicht vor uns—
sondern davor, herauszukommen.“

„Das Tor war nicht nur geschlossen“,
fuhr er fort.
„Es war versiegelt. Für immer.“

„Dann muss das, was es schützt, von unschätzbarem Wert sein“,
sagte Mamba leise, mit einem Hauch von Ehrfurcht in der Stimme.
„Wenn es solche Verteidigungsmaßnahmen rechtfertigt … könnte das, was uns erwartet, jenseits unserer Vorstellung liegen.“

Tien lachte kurz, trocken.

„Oder es ist einfach so gefährlich“,
sagte er.
„So gefährlich, dass man eine ganze Privatarmee von Wächtern braucht, um es vergraben zu halten.“

Seine Worte hingen schwer in der Stille.
Jeder wusste, dass beides zutreffen konnte.

Doc starrte auf die aschigen Überreste der Kreatur. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

„Wenn so Unsterblichkeit aussieht …
ist der Tod vielleicht gar keine so schlechte Option.“

Ren richtete sich auf, der Kiefer fest vor Entschlossenheit.

„Wir haben genug gesehen, um eines zu wissen—
wir können nicht unvorbereitet weitermachen.
Wir brauchen einen Plan. Wir kehren zur Basis zurück, sammeln uns, überprüfen unsere Ausrüstung—“

Er hielt inne.
Der Boden unter ihren Füßen bebte.

Ein tiefes Grollen hallte durch den Tunnel.
Die Wände begannen zu zittern.

„Erdbeben?!“,
rief Echo und stemmte sich gegen die Wand.

Die Vibration nahm zu.
Staub rieselte in dichten Schwaden von der Decke.

Von hinten—aus der Richtung des Tores—drang ein donnerndes Krachen.

Thunder riss Sky an sich und drängte sie hinter den Monolithen, seinen Körper schützend vor sie gestellt.
Tien warf sich nach vorn und zog Sphinx im letzten Moment weg, als ein Steinblock genau dort niederging, wo der Professor eben noch gestanden hatte.

Ren fuhr zum Tunneleingang herum, das Herz stolpernd.
Sein Licht erfasste gerade noch rechtzeitig die hintere Wand—
um zu sehen, wie Staubwolken aus dem Gang zum Tor aufstiegen.

Dann kam das Geräusch.
Das eine, das jeder fürchtet.

Einsturz.

Ein ohrenbetäubendes Brüllen raste durch die Dunkelheit.
Der Boden schnellte nach oben.
Die Wände warfen sich zur Seite—

Und dann … Stille.

Sie rannten zum Ausgang—
und blieben abrupt stehen.

Vor ihnen ragte eine gezackte Mauer aus Stein auf.
Ein Berg aus zerborstenem Gestein und uralten Trümmern.

Der Rückweg … war versperrt.

Sky starrte auf den eingestürzten Gang, den Mund offen, die Brust hob und senkte sich schnell.

„Das ist nicht euer Ernst …“,
flüsterte sie.

Niemand antwortete.

Sie waren eingeschlossen.
Lebendig begraben in den Tiefen der Erde.

Hinter ihnen: ein von Plasma gezeichneter Friedhof.
Vor ihnen: nur Dunkelheit.
Und all jene Geheimnisse,
die die tote Stadt noch immer bewahrte.

Kapitel 13: Der Pfad in die Dunkelheit — Teil 1

„Der Ausgang ist eingestürzt …“,
flüsterte Sphinx.

Seine Stimme zitterte, und zum ersten Mal wirkte der alte Professor wirklich verängstigt.

„Sind wir … eingeschlossen?“

„Ruhig bleiben“,
sagte Sky, bemüht, ihre Stimme ruhig zu halten, obwohl ihr Herz raste.
„Es könnte ein lokaler Einsturz sein. Echo, versuch, die Basis zu erreichen.“

Echo hockte bereits über seinem Sender, die Finger flogen über die Bedienelemente, ein Ohr fest an den Kopfhörer gedrückt.
Nur Rauschen.
Kein Signal.
Keine Antwort.

Er blickte auf, schüttelte stumm den Kopf.

„Zu viel Gestein über uns. Wir sind abgeschnitten. Ich lasse ein Relais zurück, aber um bis zur Oberfläche durchzudringen, bräuchten wir eine viel stärkere Quelle.“

Rivet wandte sich dem dunklen Schlund des Tunnels zu—dem einzigen verbliebenen Weg.

„Dann bleibt uns keine Wahl“,
sagte sie leise.
„Entweder wir gehen weiter und finden einen anderen Ausgang … oder einen Weg, von innen ein Signal zu senden.“

„Wenn Kompass’ Artefakt noch immer auf etwas Tieferes reagiert“,
fügte sie hinzu,
„dann könnte dort etwas sein, das stark genug ist, um nach oben zu senden.“

Kompass nickte schweigend. Die Entscheidung musste nicht mehr ausgesprochen werden.
Der Rückweg war versperrt.
Es ging nur noch vorwärts.

„Wenn wir den Monolithen hinter uns lassen“,
warnte Kompass,
„verlieren wir seinen Schutz. Und Licht könnte weitere dieser Kreaturen anziehen. Irgendwelche Ideen?“

„Ich hab ein paar Spähdrohnen mit IR-Kameras dabei“,
sagte Pixel und wühlte bereits in seiner Ausrüstung.
„Ich schick eine voraus.“

„Außerdem“,
warf Rivet ruhig ein,
„habe ich Infrarotbrillen für alle mitgebracht. Ursprünglich für die Untersuchung versiegelter Kammern in Atlantis … jetzt helfen sie uns, im Dunkeln zu sehen, ohne gesehen zu werden.“

„Perfekt“,
sagte Kompass.
„Verteil sie.“

Während Rivet die Brillen austeilte, setzte Pixel sein Steuer-Headset auf und ließ eine kleine schwebende Drohne starten.
Sie summte leise, als sie in die Schwärze glitt.

Alle standen still, lauschten, hielten den Atem an.
Pixel murmelte vor sich hin, die Augen flackerten mit den einströmenden Daten.
Schließlich schaltete er die Drohne ab und nahm das Headset ab.

Alle Blicke richteten sich auf ihn.

„Und?“,
fragte Mamba, die Stimme angespannt.

„Zwei Nachrichten“,
begann Pixel.

„Gut und schlecht?“,
fragte Mamba mit gerunzelter Stirn.

„Nein. Schlecht … und sehr schlecht.“

Das Team spannte sich an.

„Sehr schlecht: Der Tunnel vor uns hat tiefe Risse. Und ich habe … mehr von diesen Dingern gesehen. Gleicher Typ wie der, den der Monolith vernichtet hat. Mindestens zwei.“

Schweigen senkte sich wie Blei.

„Und das nur ‚schlecht‘?“,
fragte Kompass.

„Da ist ein Schienensystem an der Decke—massive Träger, die weiter nach vorn verlaufen.“

„Wie ist das schlecht?“,
warf Echo ein.

„Weil wir nichts haben, um darauf zu fahren.“

Sie blickten nach oben. Tatsächlich verliefen dicke Doppelschienen über ihren Köpfen, beinahe getarnt im dunklen Gestein.

„Ein Transportsystem“,
sagte Rivet und kniff die Augen zusammen.
„Wahrscheinlich für Fracht. Und wenn es Lieferungen gab, muss es auch eine Plattform geben.“

Sie wartete nicht auf Zustimmung—sondern ging einfach los.

Hinter dem Monolithen, in einer kleinen Nische, fand das Team eine Plattform mit mehreren hängenden Wagen.
Die Wagen klammerten sich mithilfe seltsamer magnetischer Klammern an die Schienen—hergestellt aus einer silbernen Legierung, die auf verstörende Weise dem Material von Kompass’ Artefakt ähnelte.
Noch seltsamer: Sie schwebten, ohne die Schienen zu berühren.

„Magnetische Aufhängung …“,
flüsterte Rivet ehrfürchtig.
„Aber … umgekehrt? Normalerweise ist die Führung unten.“

„Vielleicht liefen schwere Ladungen unten“,
überlegte Kompass, während er den Boden untersuchte.
„Und dieses System transportierte gleichzeitig kleinere Einheiten.“

„Problem ist, es ist tot“,
sagte Pixel.
„Kein Strom. Sie hängen nur da.“

„Kein Problem“,
grinste Rivet und zog bereits Werkzeuge hervor.
„Ich hab noch ein paar Antriebseinheiten aus meinem Exosuit. Ich rüste sie mit Gummiwalzen aus. Nicht schnell, aber stabil.“

Alle nickten.
Es war der beste Plan, den sie hatten.

Während Rivet arbeitete, verstauten die anderen Vorräte im vorderen Wagen.
Bald war alles bereit.

Vor ihnen—Dunkelheit.
Unbekannt.

Aber nun hatten sie einen Weg hinein.

Der Wagen ruckte leicht, als Rivet die Motoren aktivierte.
Ein leises Surren.
Gummiwalzen griffen in die Schienen, und die Plattform glitt vorwärts—ruhig, beinahe lautlos.

Niemand wagte es, ein Licht einzuschalten.

Kompass saß vorn, die Infrarotbrille fest auf dem Gesicht, den Blick auf den Abgrund vor ihnen gerichtet.
Der Wagen schob sich tiefer in den Schlund des Tunnels—dorthin, wo Schatten den Klang verschluckten und selbst die Luft vor Warnung schwer wirkte.

Unter ihnen … gähnten die Spalten.
Wunden in der Erde.
Tief. Endlos.

Durch die Gläser sah Kompass sie—breite Risse zu beiden Seiten der schmalen Schienenführung.
Und schlimmer noch: Bewegung.

„Bewegung“,
flüsterte er kaum hörbar.

Gestalten.
Dunkel.
Schwankend.
Unverkennbar lebendig.
Lauernd am Rand des Abgrunds.
Schlafend … noch.

Ein falsches Geräusch.
Ein Lichtblitz—und sie könnten erwachen.

Niemand sprach.
Der Motor summte.
Herzschlag um Herzschlag glitt der Wagen voran.

Manchmal schienen sich die Schatten zu neigen.
Ein Flackern hier, ein Zittern dort.

„Sie bewegen sich noch nicht …“,
murmelte Pixel hinten.

„Provoziert sie nicht“,
flüsterte Sky.
„Sie hören zu.“

„Sie sind hungrig“,
sagte Echo, fast nur zu sich selbst.

Die Minuten dehnten sich zu Stunden.
Jeder Meter fühlte sich an wie gestohlene Zeit.

Dann—hob Kompass die Hand.

„Langsamer“,
sagte er leise.

Rivet drosselte das Tempo. Der Wagen summte, rollte auf langsamer Stufe weiter.

Kapitel 13: Der Pfad in die Dunkelheit — Teil 2

Der Wagen glitt weiter voran, sein leises mechanisches Summen war das einzige Geräusch, das die dichte Stille durchbrach.
Kompass hielt den Blick unbeirrt nach vorn gerichtet, passte die Infrarotbrille an, während sich schwache Konturen durch die Dunkelheit schälten.
Der Tunnel fühlte sich längst nicht mehr wie ein Gang an—sondern wie eine Kehle, die sich verengte und sie Stück für Stück verschluckte.

Unter ihnen weiteten sich die Spalten.
Zerklüftete Risse zogen sich wie schwarze Adern durch das Gestein.
Und in der Tiefe … bewegte sich etwas.
Träge, schwere Schatten rührten sich—ihre Umrisse zu verdreht, um irgendetwas Natürlichem zu ähneln.
Die Kreaturen schliefen nicht.
Sie warteten.

„Kein Licht“,
warnte Kompass flüsternd.
„Diese Dinger reagieren auf Helligkeit. Deshalb ist es hier unten so dunkel.“

„Verstanden“,
antwortete Rivet ebenso leise.
„Die Motoren laufen kühl. Keine Funken, keine Lichtbögen.“

Jedes Geräusch wirkte nun lauter.
Selbst das Surren des Antriebs klang wie Donnergrollen über einem verlassenen Friedhof.

Sie fuhren unter einem skelettartigen Bogen hindurch—eine verdrehte Struktur, die kaum noch an der Decke hing.
Als sie darunter glitten, erkannte Kompass die Überreste einer alten Lichtanlage.
Lange Röhren lagen zerbrochen und verbogen.
Die Wand dahinter war geschwärzt.
Etwas hatte diesen Ort verwüstet.

„Beleuchtungssystem“,
murmelte Rivet.
„Hier war mal künstliches Licht. Und etwas hat es zerstört.“

„Passt ins Bild“,
ergänzte Pixel.
„Diese Kreaturen … sie hassen Licht. Das war vermutlich ihr erstes Ziel.“

Weitere zerstörte Strukturen tauchten auf, je weiter sie vordrangen.
In regelmäßigen Abständen klammerten sich kleine Plattformen an die Tunnelwände—verbeult, eingedrückt wie Blech unter enormer Wucht.
Technikstationen vielleicht. Oder alte Relaisknoten.
Einige trugen noch halb geschmolzene Paneele oder abgebrochene Antennen.

„Das waren Kommunikationspunkte“,
murmelte Echo, als er das Design erkannte.
„Dem Schaden nach zu urteilen … was auch immer hier lebt, hat sie ebenfalls angegriffen. Alles, was geleuchtet oder Geräusche gemacht hat.“

Der Wagen fuhr weiter, ohne Halt.

„Kein Sinn, sie zu untersuchen“,
sagte Kompass ruhig.
„Die sind längst tot. Und wir bleiben nicht lange genug hier, um Aufmerksamkeit zu erregen.“

Die Luft wurde kälter.
Und schwerer.

Eine feine Vibration lief über die Schienen—nicht vom Wagen, sondern von weiter vorn.
Ein ferner Druck.
Die Art von Erschütterung, die man mehr in der Brust spürt als in den Ohren.
Wie der Herzschlag von etwas, das tief im Stein schläft.

Sphinx saß zusammengesunken, ein kleines Notizbuch in der Hand.
Er hatte seit dem Einsturz kein Wort gesagt.
Hin und wieder sah er zu den Wänden, als versuchte er, Inschriften zu lesen, die gar nicht da waren.

Sky saß am hinteren Ende des Wagens, die Hand um eine Haltestange gekrallt.
Sie zitterte nicht—aber ihre Knöchel waren weiß vor Anspannung.

„Das gefällt mir nicht“,
sagte sie schließlich.
„Es ist zu still. Als würde der ganze Ort … den Atem anhalten.“

Niemand widersprach.

Sie passierten eine große Kreuzung—oder was davon übrig war.
Die Decke war hier irgendwann eingestürzt, hatte einen Seitengang mit Geröll gefüllt.
Mehr zerstörte Technik lag verstreut.
Ein halb vergrabenes Terminal blinkte einmal—und erlosch.

„Noch irgendwoher Strom“,
murmelte Rivet.
„Vielleicht Restladung in einem Kondensator.“

„Und dann war’s das“,
ergänzte Pixel.
„So schnell verschwindet hier alles.“

Der Wagen ruckte leicht, als er über einen beschädigten Schienenabschnitt fuhr.
Rivet verlangsamte auf Schrittgeschwindigkeit und lenkte ihn vorsichtig über eine behelfsmäßige Stütze, die sie selbst montiert hatte.
Kompass beobachtete den Weg.
Die Risse im Boden darunter waren jetzt tiefer—einige so breit, dass sie den ganzen Wagen verschlingen konnten.

Und schlimmer noch—unten in einer der Spalten bewegte sich wieder etwas.

Diesmal kroch es nicht.
Es schlängelte sich.

Ein schwarzer Arm, knochenlos, lang und feucht, tastete sich nach oben—
und zog sich wieder zurück in die Finsternis.

„Sie beobachten uns“,
flüsterte Echo.

„Wir müssen hier schnell durch“,
sagte Kompass entschlossen.

Rivet gab den Motoren etwas mehr Leistung, aber nicht genug, um Lärm zu machen.
Jeder Meter fühlte sich an wie ein Drahtseilakt über einem Abgrund voller Zähne.

Dann—endlich—veränderte sich der Tunnel.

Die Wände weiteten sich.
Die Schienen bogen leicht ab, führten in eine größere Kammer.

Sie waren nah an etwas Neuem.
Etwas anderem.

Doch schon bevor sie die Öffnung erreichten, fiel die Temperatur erneut.

So abrupt, dass es sich anfühlte, als würden sie in eisiges Wasser treten.

„Was auch immer da vorne ist“,
sagte Sky leise,
„es ist nicht nur kalt. Es ist uralt.“

Kompass hob erneut die Hand. Der Wagen verlangsamte fast bis zum Stillstand.

Die Schatten vor ihnen waren dichter.
Schwärzer.

Kapitel 14: Der Einsturz

Der Tunnel vor ihnen war vollständig blockiert.
Massive Felsbrocken, verbogenes Metall und gezacktes Gestein türmten sich auf wie ein zertrümmertes Rippenkäfig—zum Sterben zurückgelassen in der Dunkelheit.

„Das war’s“,
murmelte Pixel düster.
„Als hätte etwas—oder jemand—den Weg absichtlich verschüttet.“

Schweigend stiegen alle vom Wagen ab.

Thunder ging als Erster voran, fuhr mit einem behandschuhten Finger über die nächstgelegene Steinplatte.

„Über die gesamte Breite eingestürzt. Diese Brocken rühren sich nicht. Fest verkeilt.“

„Und wir haben keinen Bohrer dabei“,
ergänzte Echo nervös und nestelte an seiner Funkantenne.

Rivet richtete sich abrupt auf, Entschlossenheit blitzte in ihrer Stimme.

„Ich hab den Exoanzug. Pixel hat Mikro-Sprengladungen. Wir schaffen das. Vorsichtig—wenn wir das Falsche lockern, bricht alles zusammen.“

„Vorsichtig?“,
schnaubte Mamba und deutete auf die schwarzen, pulsierenden Flecken zwischen den Steinen.
„Das hier fällt schon fast von selbst auseinander. Das Pilzgeflecht frisst alles auf. Zeit haben wir nicht.“

„Umso mehr Grund, uns zu beeilen“,
unterbrach Kompass scharf.
„Rivet, heb die oberen Schichten mit dem Exo ab. Pixel, platziere die Ladungen—präzise, nicht brutal. Alle anderen, räumt die Ränder frei. Los!“

Die Ingenieurin und der Hacker machten sich an die Arbeit.
Rivet, verstärkt durch ihren Anzug, bewegte sich mit mechanischer Präzision, hob Platten an und stapelte sie wie Teile eines Puzzles.
Thunder und Shade gruben sich an den Seiten entlang, lösten Schutt und weiteten die Öffnung.

Niemand sprach. Jeder Laut hallte zu laut zurück.

Pixel glitt an einen riesigen Stein, kniete nieder und setzte zwei kleine Ladungen.
Er zog die Zünddrähte zurück, warf einen Blick zu Kompass und Sky.

„Bereit? Die Sprengkraft ist gering, aber trotzdem—runter!“

Kompass nickte.
Alle gingen in Deckung, Hände über den Ohren.

Die Explosion war mehr zu spüren als zu hören—
wie ein Riss tief in der Brust.

Stein splitterte mit einem gequälten Knacken.
Staub stieg in erstickenden Wellen auf.

Bevor sich der Dunst legte, stürmte Rivet vor, der Exoanzug summte, während sie gebrochene Brocken beiseite zog.
Der Durchgang begann sich zu öffnen.
Stein schabte. Metall klirrte.

Schweiß brannte in den Augen. Arme zitterten.

Die Luft wurde schwerer—dichter.
Als würde der Tunnel selbst zuschauen.

„Pause“,
keuchte Doc und wischte sich den Dampf von der Brille.
„Die Leute brennen aus.“

Sky hob die Hand zur Zustimmung.
Das Team sackte dort nieder, wo es stand—manche auf Stein, andere direkt auf den Boden.

Ohne es zu merken, bildeten sich alte Gruppen erneut—wie aus Gewohnheit.

Kompass setzte sich nicht.
Er trat an die neu geschaffene Lücke.

Eine schmale Öffnung klaffte zwischen dem Schutt.
Dahinter—nur Schwärze.
Doch ein kalter Luftzug strich ihm über das Gesicht.

Da war etwas jenseits des Einsturzes.
Ein freier Raum. Eine Kammer.
Sie waren nah dran.

Rivet griff bereits nach den Exo-Steuerungen, als sich die Luft veränderte.

Ein Laut zerschnitt die Stille.
Dünn. Scharf. Fern. Aber schnell anschwellend.
Ein metallisches Kreischen—Schaben auf Stein.

Dann bebte der Boden.

„Zurück!“,
rief Thunder sofort, die Muskeln angespannt.

Sie versuchten zu fliehen.
Zu spät.

Der gesamte Haufen sackte in sich zusammen.
Keine Explosion. Nur Schwerkraft.

Der Boden gab nach.
Steinmassen stürzten—nach vorn und nach unten.

Kompass sprang—

—und hörte jemanden schreien.

Rivet.

Er griff nach ihr.
Versuchte, sie zu packen—

Aber stattdessen fiel er.

Stein. Staub. Kreischendes Metall.
Die Welt riss unter ihm weg.

„Reeennn!“,
schrie Skys Stimme durch die Dunkelheit.

Kapitel 15: Erwachen in der Tiefe

Ren „Kompass“ Wayland kam mit einem scharfen Luftholen zu sich.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war—Minuten, Stunden … ein ganzer Tag?
Sein ganzer Körper pochte, als wäre er zerquetscht und von groben Händen wieder zusammengenäht worden.
Ein bitter-metallischer Geschmack füllte seinen Mund.
Etwas Warmes rann an seiner Schläfe hinab—Blut oder Wasser, er konnte es nicht sagen.

Instinktiv griff er hoch, löste seine Infrarotbrille. Die Gläser klappten leise zusammen, und er steckte sie in die Seitentasche.
Erst da fiel ihm auf—es war nicht vollständig dunkel.

Ein schwaches Glühen durchzog die Höhle.
Formen traten hervor: gewaltige Pilze mit blassgrünen Kappen, geisterhaft und leuchtend.
Sie pulsierten mit seltsamer Biolumineszenz, die wie nervöse Elektrizität ihre Stiele hinaufkroch, zerfallene Steinbögen darüber und zerbröseltes Geröll darunter in fahles Licht tauchend.
Ihre dicken Stiele waren mit faserigem Flaum bedeckt, und die Luft klebte an ihm—feucht, zäh und durchtränkt von Nebel.

Dann hörte er es: ein Wasserfall, oder etwas Ähnliches. Kein Krachen, eher ein ständiges Zischen fallender Tropfen—wie Atem auf altem Stein.

Ren stützte sich auf dem Boden ab und zwang sich hoch.
Ein stechender Schmerz durchzog seine Rippen.
Er verzog das Gesicht, stabilisierte sich an einem der Pilzstämme.
Nichts schien gebrochen, aber jeder Muskel protestierte.
Er sog Luft ein—und hustete sofort.

Die Luft war nicht nur feucht. Sie lebte.
Sporen, so dicht wie Staub, schwebten in träge Spiralen durch den Nebel.
Es roch nach Verfall und Geburt, nach etwas Uraltem, das sich in Stille häutete.

Eine Stimme durchbrach den Dunst.

„Ren? Bist du bei uns?“

Gedämpft—angespannt vor Sorge.

„Kaum“,
krächzte er.

Gestalten traten durch den Schleier, erschienen wie Erinnerungen, die sich mühsam ins Bewusstsein tasteten.
Der Erste, der ihn erreichte, war Doc, der neben ihm auf die Knie fiel—blass, aber wachsam.

Hinter ihm stolperte Echo nach vorn, eine tiefe Platzwunde an der Stirn, eine Seite seines Headsets zerbrochen, ein Draht hing lose.
Sphinx hinkte langsam hinterher, die Hand an seinem Ellbogen, das Gesicht vor Schmerz verzogen, doch seine Augen verfolgten jede Bewegung—still analysierend.
Die Letzte war Rivet, die unter einem zerborstenen Träger hervorkroch.
Ihr Exoanzug funkte schwach, die Servos jaulten leise, aber das Gerüst hielt.

„Wir alle … leben?“,
fragte Ren, blinzelte zu ihren Gesichtern, versuchte zu zählen.

„Sieht so aus“,
sagte Doc und atmete schwer aus.
„Prellungen, Schnitte. Keine inneren Blutungen, soweit ich sehe. Wir hatten Glück.“

Rivet drehte sich im Kreis, musterte die Höhle.

„Moment … wo ist Skys Team?“,
fragte sie, die Stimme plötzlich scharf.

Alle erstarrten.
Die Erkenntnis traf wie ein kalter Stoß.

Keine Spur von den anderen.
Kein Sky. Kein Thunder. Keine Mamba. Kein Shade. Kein Pixel.

Keine Stimmen. Keine Signale.

Nur das fahle Glühen der Pilze.
Der kriechende Nebel.
Und Stille.

Ren griff nach seinem Handgelenkpad, die Finger zitterten leicht.
Nur Rauschen. Keine Beacons, keine Pings, keine Bewegung.

„Sie müssen woanders hingeschleudert worden sein“,
murmelte Sphinx rau.

„Oder tiefer“,
sagte Echo leise, der Blick leer.

Rivet trat näher, untersuchte ihr Equipment. Ihre Hände hielten inne an der Atemmaske.
Ein feiner Riss zog sich über die Mitte.

Sie drehte sich zu Doc.

„Masken sind beschädigt“,
sagte sie ruhig.
„Ich atme rohe Luft.“

Echo prüfte seine. Gesplittert.
Sphinxs Dichtung sickerte.

Doc nahm seine Maske mit sichtbarem Unbehagen ab.

„Alle“,
bestätigte er.
„Und ich weiß nicht, was in dieser Luft ist. Solche Sporen … könnten halluzinogen sein. Oder schlimmer.“

Stille.

Ren presste die Kiefer zusammen.
Der Nebel schien sich dichter um seine Beine zu winden, wie Finger.

„Können wir die Anzüge abdichten?“,
fragte er.

Rivet schüttelte den Kopf.

„Zu viele Brüche. Der Sturz hat die Systeme zerrissen. Ich kann versuchen, meinen zu stabilisieren, aber volle Filterung? Unmöglich.“

„Dann hoffen wir, dass diese Umgebung für Säugetierlungen nicht giftig ist“,
sagte Doc düster.

Ren starrte in den Nebel.
In der Ferne pulsierte ein Glimmen—nicht elektronisch.
Organisch.
Wie Atmen.

„Der Wagen ist weg“,
sagte er nach einer Weile.
„Begraben oder unerreichbar.“

„Und selbst wenn nicht“,
fügte Sphinx hinzu,
„wir sind eingeschlossen.“

Echo sah sich um. Die Wände der Höhle waren zerborsten, aber von oben kam kein Licht.
Der Tunnel hinter ihnen war verschwunden—versiegelt unter Geröll.

„Dann gehen wir vorwärts“,
sagte Ren.

Es war keine Frage.
Es gab keine Alternative.

Rivet nickte, zog ein flackerndes Diagnosemodul aus dem Unterarm ihres Anzugs.
Funken zuckten, doch das Display stabilisierte sich.
Ein paar Befehle, und sie leitete Hilfsstrom auf ihre Servos um.

„Ich bekomme begrenzte Funktionen wieder hin“,
sagte sie.
„Nicht lang, aber genug, um weiterzugehen.“

Doc begann, die anderen auf Infektionsanzeichen zu prüfen—erweiterte Pupillen, Zittern, Atemprobleme.
Nichts Akutes.
Noch nicht.

Echo justierte, was von seinem Headset übrig war, und tippte sich in die Kurzstreckenfrequenz.

„Keine Signale auf keinem Band. Keine Wärmequellen. Keine Bewegung. Es ist … tote Luft.“

„Nicht tot“,
murmelte Sphinx, den Blick auf die pulsierenden Pilze gerichtet.
„Schlafend.“

Ren trat zu einer engen Spalte zwischen zwei Steinsäulen, wo der Nebel sich zu einem fließenden Schleier verdichtete.

„Wir finden die anderen“,
sagte er rau, aber fest.
„Oder einen Weg hinaus. So oder so …“

Er drehte sich um, sah jeden Einzelnen an.

„Wir gehen.“

Keine große Rede.
Keine Zeit dafür.
Nur das Kratzen von Stiefeln im Sporenstaub und das Klicken neu kalibrierter Maschinen.

Sie schritten unter das pilzartige Gewölbe, jeder Schritt wirbelte Sporen auf wie Schnee in Zeitlupe.
Je tiefer sie gingen, desto heller wurde das Leuchten—nicht von Sonne oder Lampe, sondern von dem atmenden Licht der Pilze.
Blasse blaue Adern pulsierten unter den Kappen. Manche bewegten sich leicht—als würden sie auf Bewegung reagieren.

Einige neigten sich—kaum wahrnehmbar.
Als würden sie zusehen.

Niemand sprach.
Selbst Echo, der sonst bei jedem Schritt fluchte, blieb stumm.
Die Stille war geladen.
Als könnte ein Laut etwas wecken, das sie bisher übersehen hatte.

Am Ende der Gruppe hielt Rivet an, betrachtete ein schwammiges Gebilde an der Wand.
Sie berührte es mit einer Metallsonde.
Es zuckte zurück.

„Die Dinger reagieren“,
flüsterte sie.
„Nicht nur Wachstum. Sie … nehmen wahr.“

„Dann geben wir ihnen keinen Grund, sich zu interessieren“,
sagte Ren, ohne langsamer zu werden.

Der Tunnel verengte sich, dann öffnete er sich erneut.
Organisches Licht flackerte über Stein, vermischte sich mit Schatten.
Die Architektur veränderte sich—alt und fremdartig—verschmolzen mit wurzelartigen Strukturen und Pilzblüten.

Irgendwo in der Dunkelheit bewegte sich etwas.
Ein leiser Platscher.
Oder ein Schritt.

Alle erstarrten.

Die Pilze dimmten.
Als hielten sie den Atem an.

Ren drehte sich um.

„Weiter. Jetzt.“

Und sie gingen—
hinein ins Leuchten,
hinein in den Atem der Erde selbst,
hinein in einen Ort, den nie zuvor ein Mensch betreten hatte.

Kein Weg zurück.
Nur vorwärts.

Kapitel 16: Die Lebenden Toten — Teil 1

„Basis? Sky? Antwortet—irgendjemand!“

Echos Stimme kratzte ins Nichts, Verzweiflung durchschnitt das Rauschen, während er am Funkgerät an seinem Gürtel nestelte.

Stille.

„Nichts“,
murmelte er.
„Wir sind auf uns allein gestellt.“

Sphinx drehte sich langsam, sein Blick glitt über die emporragenden Pilzsäulen ringsum.

„Dieser Ort … ist nicht nur tief unter der Erde. Er ist etwas anderes. Ein Grab. Ein Mutterleib.“

Die anderen schwiegen.
Niemand wusste, wie tief sie gefallen waren—oder ob es überhaupt einen Weg zurückgab.

Der Schock des Einsturzes hing ihnen noch immer in den Knochen wie feiner Staub.
Die Luft war schwer, feucht, durchzogen vom Geruch nach Verfall—und von etwas, das atmete.

Ren trat vor.
Der Pilzwald erstreckte sich in alle Richtungen—riesige Stiele, die sich wie versteinerte Bäume in einer vergessenen Kathedrale nach oben streckten.
Zerbrochene Steinfragmente ragten wie gesplitterte Zähne aus dem Boden.
Das Licht war schwach, gefiltert durch das phosphoreszierende Glühen der Pilzkappen über ihnen.

„Wir müssen weiter vorausschauen“,
sagte Rivet, während sie über ein Panel ihres Exoanzugs gebeugt war.
Ihre Hände arbeiteten schnell und geübt, isolierten durchgeschmorte Leitungen, überbrückten Schaltkreise.
Ihr Gesicht war schmutzverschmiert, die Stirn aufgeschürft—aber ihre Augen waren ruhig. Entschlossen.
„Es muss einen anderen Ausgang geben—oder was auch immer das Artefakt hierher gezogen hat. Stillstehen ist keine Option.“

Ren nickte.

„Bleibt zusammen. Achtet auf den Boden. Der hält kaum—und was auch immer hier unten lebt, ist nicht nur Fels und Sporen.“

Er kam nicht dazu, weiterzureden.

Bewegung—hinter einem Moosteppich.
Ein Flackern. Schnell. Unregelmäßig.

Ren hob die Hand.

Stille.

Sie erstarrten.

Etwas näherte sich.
Nicht schnell.
Nicht laut.
Aber falsch.

Wie die Dunkelheit selbst, die auf sie zuschlich.

„Da“,
flüsterte Echo.

Ren richtete sein Handgelenklicht auf die sich bewegenden Umrisse.

Was aus dem Schatten trat, war nicht menschlich.

Gestalten kamen unter den Pilzen hervor.
Humanoid—aber nur kaum.

Ihre Köpfe waren überwuchert von massiven, knolligen Pilzkappen.
Fäden und graue Schimmelschichten hingen darunter wie organisches Haar.
Ihre Oberkörper waren mit Fetzen aus synthetischem Stoff bedeckt—zerrissene Uniformen vielleicht, oder künstliche Haut.
Niemand konnte es sagen.

Ihre Glieder waren zu lang, die Gelenke zu spitz.
Die Finger endeten in gebogenen Krallen, die über den weichen Boden kratzten.

In jeder ihrer rechten Hände—
eine glänzende Metallspritze.

Doc kniff die Augen zusammen.

„Spritzen“,
hauchte er.
„Riesig. Gefüllt mit … irgendetwas.“

„Sie sind wandelnde Pilze“,
fügte er mit hohler Stimme hinzu.
„Kein Bild. Wirklich.“

„Was in aller Welt …“,
flüsterte Sphinx.
Instinktiv trat er hinter Ren zurück.

Die Wesen bewegten sich langsam.
Sie sprachen nicht.
Machten kein Geräusch.
Als würde die Luft selbst sie tragen.

Dann, ohne Vorwarnung, brach eines aus der Formation.
Es stürmte zur Seite—direkt auf Echo zu.

Bevor jemand reagieren konnte, krallte sich eine skelettartige Hand um sein Handgelenk.
Die Spritze fuhr tief in seinen Unterarm.

„Aaaahh!“,
schrie Echo.

„Runter!“,
brüllte Ren.

Rivet warf sich nach vorn, packte Echos Weste, versuchte ihn wegzuziehen.
Doch die Kreatur hielt ihn fest, drückte den Kolben langsam, mit grausamer Absicht.

Ren zögerte nicht.
Er griff nach einem zerbrochenen Stahlrohr am Boden—
und schlug zu.

Der Schlag traf das Wesen seitlich, ein nasser Knack.
Es taumelte.
Löste sich von Echo.

Rivet riss ihn zurück, stellte sich schützend vor ihn.

Das angreifende Wesen wich zurück, zitterte, als wäre seine Aufgabe erfüllt.

Doch weitere kamen.
Zwei. Drei.
Torkelnd aus dem Nebel.
Spritzen erhoben.

„Kämpfen!“,
rief Ren.

Er stürmte vor.

Rivet folgte—ihr Exoanzug heulte auf, als er volle Leistung aktivierte.
Ihr erster Schlag rammte sich in die Brust eines Wesens, zertrümmerte Knochen.
Das Ding krümmte sich und stürzte in eine dunkle Felsspalte.

Ein anderes griff nach Ren.
Er duckte sich unter der Spritze hindurch—
und trieb das Rohr nach oben, durch den Unterarm der Kreatur.

Die Spritze fiel klirrend zu Boden, zitterte noch.

Das Wesen wich zurück.
Ren ließ ihm keine zweite Chance.
Er schlug es nieder, fixierte es mit dem Stiefel—
und zerschmetterte seinen Kopf mit dem Rohr.

Die Pilzkappe platzte—eine schwarze Flüssigkeit quoll hervor, begleitet von einem trockenen, rasselnden Laut.

Weitere kamen—
doch Ren war bereit.
Er schlug erneut zu.
Und wieder.

Spritzen flogen wie gebrochene Knochen aus ihren Händen.

Die Wesen, nun entwaffnet, zögerten.
Ihre Bewegungen wurden langsamer—unsicher.

Dann drehten sie sich um.
Eines nach dem anderen verschwand im sporenbeleuchteten Nebel.

Kapitel 16: Die lebenden Toten — Teil 2

Der Pilzwald versank erneut in Stille.
Zurück blieb nur ihr eigenes Atmen – schwer und unregelmäßig.

Echo sackte gegen Rivets Arm und umklammerte seinen Unterarm an der Stelle, wo die Spritze eingedrungen war. Sein Gesicht war bleich, seine Lippen zitterten. Aus der Einstichstelle trat eine graue Flüssigkeit aus, dickflüssig und mit grünlichen Partikeln durchsetzt.

Doc war bereits in Bewegung.

„Legt ihn vorsichtig ab. Lasst mich das ansehen.“

Rivet half Echo, sich behutsam auf einen flachen Stein zu setzen. Docs Hände arbeiteten klinisch und präzise, während er Handschuhe aus seinem Notfallkit zog und die Wunde mit einer kleinen Lampe untersuchte.

„Das war keine gewöhnliche Injektion“, murmelte er. „Die Nadel war breit, zur flächigen Verteilung. Seht euch die Schwellung des Gewebes an. Was auch immer da injiziert wurde, versucht sich auszubreiten.“

Ren trat näher, seine Stimme angespannt.

„Eine Infektion?“

„Vielleicht. Oder schlimmer“, sagte Doc mit verkniffenem Gesichtsausdruck. „Das verhält sich nicht wie Bakterien. Viel zu schnell, fast… gezielt.“

Echo zuckte zusammen und stöhnte leise auf.

„Mir geht’s gut… wirklich“, murmelte er schwach. „Alles in Ordnung.“

„Nein, nichts ist in Ordnung!“, erwiderte Doc scharf. „Du hast Glück, dass es ins Muskelgewebe ging und nicht in die Vene. Wenn diese Substanz in den Blutkreislauf gelangt wäre –“

„Kannst du es stoppen?“, unterbrach Rivet ihn schroff.

Doc zögerte einen Moment, zog dann schnell eine Spritze auf und injizierte ein Breitband-Antimykotikum sowie ein hochdosiertes entzündungshemmendes Mittel.

„Ich verschaffe ihm damit Zeit“, sagte er knapp. „Aber wir brauchen Antworten. Und zwar schnell.“

Sphinx stand einige Meter entfernt, die Arme fest um seinen Körper geschlungen. Seit die Kreaturen verschwunden waren, hatte er kein Wort mehr gesprochen.

„Das waren nicht bloß… Tiere“, sagte er schließlich. „Sie hatten eine Struktur. Werkzeuge. Ein Ziel. Dieser Angriff war nicht zufällig.“

Ren starrte in die Dunkelheit, dorthin, wo die pilzartigen Wesen verschwunden waren. Es fühlte sich an, als blickte die Finsternis selbst zurück.

„Sie sind verschwunden“, stellte Ren fest. „Aber warum?“

„Um uns zu testen“, schlug Doc vor. „Oder um uns zu warnen. Diese Spritze war nicht dazu gedacht, zu töten.“

„Sondern zu verändern“, flüsterte Sphinx. „Infizieren, anpassen… konvertieren.“

„Ich möchte nicht hier sein, wenn wir es herausfinden“, murmelte Rivet. Sie hockte sich neben Echo und richtete eine Schulterplatte ihres Exoskeletts so aus, dass sie ihn besser schützte. „Wenn sie mit Verstärkung zurückkommen – Echo kann noch nicht laufen.“

Ren drehte sich zu den anderen um.

„Wir müssen uns neu formieren, einen sicheren Platz finden und einen Verteidigungsradius einrichten. Keine Lichter, es sei denn absolut notwendig.“
Er hielt kurz inne.
„Und wir trennen uns nicht mehr. Niemals.“

Das Team nickte schweigend. Selbst Echo, bleich und angeschlagen, presste die Zähne zusammen und nickte schwach.

Das Leuchten der Pilzkappen um sie herum pulsierte leicht – als würde der Wald atmen. Die Kreaturen hatten sich darin aufgelöst, waren in den Schatten zwischen Sporen und Stein verschwunden.

Aber ihre Präsenz blieb spürbar.
In der Stille.
Im tropfenden schwarzen Schleim auf Rens improvisierter Waffe.
In der halbvollen Spritze, die noch immer auf dem Boden lag – erfüllt von etwas Lebendigem.

Doc hob diese und weitere herumliegende Spritzen auf, verstaute sie vorsichtig in einem versiegelten Behälter und befestigte ihn an seiner Weste.

„Ich werde das später untersuchen“, sagte er gedämpft. „Falls wir überhaupt ein ‚Später‘ bekommen.“

Die Luft wurde still. Kühler.
Irgendwo weit entfernt, tief im Inneren der Höhle, erklang plötzlich ein feuchtes Geräusch.
Ein Schleifen.
Ein Schaben.

Und dann erneut – nichts.

Kapitel 17: Verrat – Teil 1

„Sie sind… gegangen?“
Sphinx’ Stimme zitterte, kaum hörbar. Sein Blick war noch immer auf die Dunkelheit gerichtet, in der die Pilzwesen verschwunden waren.

„Sieht ganz so aus“, erwiderte Doc, doch die Zuversicht in seiner Stimme war verschwunden. Das Adrenalin verflog, und zurück blieb nur noch Furcht.

Ren machte keine Anstalten, den Angreifern zu folgen. Sein Blick blieb auf die Schatten gerichtet. Doch die wahre Bedrohung lauerte nicht da draußen.

„Echo!“, rief er plötzlich und wirbelte zum verletzten Funker herum.

Echo hing schlaff an einem Stein, seine Atmung rasselnd und oberflächlich. Noch immer steckte eine zerbrochene Spritze in seinem Arm.

Doc kniete bereits neben ihm.

„Lass mich das ansehen. Halt still.“

Echo stöhnte schwach auf.

Doc zog die Nadel vorsichtig heraus – und erstarrte.

Unter Echos Haut breitete sich ein dunkelblaues Netz aus, das sich durch seine Venen zog wie Tinte durch gesplittertes Glas. Sein Blut färbte sich schwarz.

„Sein Blut… verändert sich“, murmelte Doc fassungslos.

Echos Haut wurde blass, Schweiß stand ihm auf der Stirn.

„Wir haben kein Gegengift! Wir haben gar nichts!“, schrie Rivet verzweifelt, während sie den Blick hektisch durch die Höhle schweifen ließ – als könnte irgendwo ein Wunder lauern.

Docs Kiefer spannte sich an. Ohne ein Wort zog er Mullbinden und einen Gürtel aus seinem Medkit.

„Wir müssen die Ausbreitung verlangsamen.“

Er legte den Gürtel eng oberhalb der Einstichstelle an, wie bei einem Schlangenbiss. Doch niemand wusste, ob es helfen würde.

Echo begann zu zittern, sein Atem wurde schneller. Seine Lippen verfärbten sich grau.

„Was zur Hölle haben sie ihm da injiziert?“, flüsterte Sphinx, während er nervös seine Brille in den Händen drehte. „Gift? Sporen? Ein Virus?“

Ren ließ seinen Blick über den Boden gleiten. Mehrere Spritzen lagen verstreut zwischen den Trümmern – groß und gefüllt mit einer leuchtend blauen Flüssigkeit. Zurückgelassen von den pilzartigen Angreifern.

Behutsam hob er eine am Zylinder auf.

„Wir müssen das analysieren. Nimm sie mit“, sagte Doc sofort.

Er sammelte die übrigen Spritzen auf und verstaute sie vorsichtig in einem luftdichten Behälter an seinem Rucksack.

Rivet kniete neben Echo und legte schützend einen Arm um seine Schultern.

Doc fühlte seinen Puls. Sein Gesicht verdüsterte sich.

„Puls rast. Es geht viel zu schnell…“

Niemand sprach aus, was alle dachten:
Die Zeit lief ihnen davon.

Ren ballte die Fäuste, bis seine Knöchel knackten.
Nach allem, was sie durchgestanden hatten – sollte es wirklich so enden? Vergiftet von Pilzwesen in der Dunkelheit?

Nein. Nicht so.

Plötzlich – Bewegung.
Ein Rascheln.

„Runter!“, zischte Ren.

Alle suchten blitzartig Deckung. Sphinx und Doc zogen Echo hinter die nächstgelegene Steinformation.

Ein schrecklicher Gedanke durchfuhr sie:
Die Monster kamen zurück.

Gestalten erschienen zwischen den Pilzsäulen.

Ren kniff die Augen zusammen.
Er erkannte die Umrisse sofort.

Es war Skys Team.

Für einen kurzen Moment flammte Hoffnung in seiner Brust auf.

„Da sind sie!“, rief Sky, ihre Stimme angespannt und scharf. „Vorsicht – keine Masken… und was zur Hölle stimmt mit seinem Arm nicht?“

Ren trat hervor, wollte erklären, bitten, sprechen.
Doch Skys nächste Worte trafen ihn härter als jede Kugel:

„Sie sind infiziert! Feuer!“

Die Schüsse kamen augenblicklich.

Kapitel 17: Verrat – Teil 2

Kugeln zischten über die Köpfe von Kompass’ Team hinweg.
Sie rissen Pilzkappen ab, spalteten dicke Stiele und ließen mit jedem Schuss eine Wolke aus Sporen explodieren. Der Nebel wurde dichter, fluoreszierender Staub lag in der Luft wie giftiger Schnee.

„Feuer einstellen!“, rief Kompass.
„Wir sind nicht infiziert!“

Keine Antwort – nur das Donnern von Gewehrsalven.

Rivet hockte sich tief, den leblosen Echo mit ihrem Körper abschirmend.
Sein Atem war flach, der Verband an seinem Arm durchtränkt. Die Adern darunter hatten sich schwarzgrün verfärbt, pulsierend wie mit fremdem Leben erfüllt.

„Sky!“, rief Kompass, lugte kurz hinter der Deckung hervor.
„Das ist ein Fehler! Wir sind nicht eure Feinde!“

Ein Schuss antwortete.
Er verfehlte – nur knapp.

Kompass duckte sich zurück hinter den Felsen, keuchend.

„Du hast es versucht“, murmelte Rivet ohne aufzublicken.
„Sie haben ihre Entscheidung längst getroffen.“

„Nein“, sagte Kompass leise.
„Sie haben Angst.“

Seine Stimme war heiser, aber ruhig. In seinen Augen kein Zorn – nur Erkenntnis.

„An ihrer Stelle... hätten wir vielleicht genauso gehandelt.“
„In ihrem Kopf sind wir längst tot.“

Am anderen Ende des Pilzwaldes rückten Thunder und Shade vor – Schritt für Schritt, taktisch präzise, ohne Lücken zu lassen. Maschinen im Fleisch.

„Sie versuchen, uns zu umzingeln“, stellte Doc fest.
„Wenn wir bleiben, sind wir eingekreist.“

„Wenn wir fliehen, erschießen sie uns“, flüsterte Sphinx, Panik in der Stimme.

Eine Kugel krachte gegen das Gestein über ihnen – Gesteinssplitter regneten herab.

„Wir brauchen Ablenkung“, knurrte Rivet und ließ den Blick rasend über das Gelände schweifen.

Aber die Decke war zu hoch – fünfzehn, vielleicht zwanzig Meter. Kein Weg, sie zum Einsturz zu bringen.

Dann sah Kompass es.

Ein riesiger Pilz. Dicker als ein Baumstamm.
Und nicht stabil.

„Der dort“, sagte er und deutete.
„Wenn der fällt, lenkt er sie ab.“

„Verstanden“, erwiderte Rivet und war bereits unterwegs.

Sie aktivierte den Handgelenks-Schneider, duckte sich unter dem Kugelhagel hindurch und erreichte die Basis des Pilzes.
Die erhitzte Klinge schnitt zischend ins Gewebe.
Fasern schmolzen, barsten.
Schnell, präzise, tief.

„Na los...“, knurrte sie.
„Fall endlich!“

Ein letzter Schnitt – der massive Hut neigte sich.
Mit einem feuchten Knacken gab der Stamm nach.
Der Pilz stürzte.
Sporen wirbelten auf, schleimige Brocken flogen durch die Luft. Der Aufprall hallte wie Donner durch die Höhle.

„Jetzt!“, rief Kompass.

Sie rannten.

Doc und Sphinx trugen Echo zwischen sich.
Rivet fiel in die Knie, aktivierte den Verteidigungsmodus – schwere Panzerplatten glitten aus ihrem Exosuit, verriegelten sich über ihrem Rücken wie ein lebendiger Schild.

Kugeln prallten dumpf gegen das Metall.
Es hielt.

„Los, bewegt euch!“, rief Rivet.
„Ich halte euch den Rücken frei!“

Das Team rannte im Schutz des Schildes.
Kompass vorneweg – Trümmer aus dem Weg schiebend, einen Pfad nach vorn bahnend.

Kapitel 18: Flucht

Ein weiterer Schuss durchbrach die Luft wie ein Peitschenhieb.
Ein Splitter streifte Kompass an der Schulter – brannte sich durch den Anzug, versengte die Haut darunter.

Unter Rivets gepanzertem Schild, während Querschläger pfeifend an ihnen vorbeisausten, war Kompass’ Team bereits tiefer in den Pilzwald gestürzt.
Diese Rüstung hatte ihnen schon einmal das Leben gerettet – damals bei archäologischen Grabungen, wo sie sie vor vergifteten Pfeilen und Stachelfallen schützte.
Jetzt hielt sie Kugeln ab.

Kolossale Pilzkappen rasten wie dunkle Sonnen über sie hinweg.
Irgendwo hinter ihnen hallten Rufe –
Sky’s Team verfolgte sie immer noch.

Kompass lief voraus, schlängelte sich zwischen Pilzsäulen und Stalaktiten hindurch, bahnte einen Weg.
Hinter ihm zerrten Doc und Sphinx den verletzten Echo mit sich – kaum noch auf den Beinen.
Rivet sicherte das Ende der Formation – ihre Servomotoren ächzten, aber das Exoskelett hielt stand.

Dann wurde ein neues Geräusch laut –
rauschendes Wasser.

Tröpfchen hingen schwer in der Dunkelheit,
und plötzlich war es, als rannten sie durch einen tintenschwarzen Sturm.

Sie sahen kaum mehr als Schemen –
Herzen pochten,
das Blut rauschte in den Schläfen –
und dann: Leere.

Der Boden verschwand.

Rivet, nur Schritte hinter Kompass, sah gerade noch, wie er verschwand –
eine Sekunde war er da –
die nächste nicht.

„Vorsicht—!“ begann Doc zu rufen –
Zu spät.

Einer nach dem anderen stürzten alle fünf in die Tiefe.
Sie schlugen auf Felsvorsprünge,
rutschten über moosbedeckte Steine,
klammerten sich vergeblich an nichts.

Die Welt wirbelte in einem Strudel aus Dunkelheit –
und dann kam das Wasser.
Eiskalt. Schwarz. Tosen.

Kompass wurde unter Wasser gezogen,
verschluckt vom Strom eines unterirdischen Flusses.
Er wirbelte – desorientiert,
jede Richtung die falsche.

Dunkle Silhouetten flackerten im Wasser –
Gliedmaßen, Körper – sein Team, ebenso hilflos.
Er tauchte auf, japste nach Luft.
Irgendwo in der Nähe hörte er Rivet schreien.
Sie trieb auf dem Wasser –
ihr Exo-Anzug hielt sie oben,
dank des eingebauten Anti-Sink-Systems.
Seit dem Tag, an dem sie in einer Grabfalle fast ertrunken wäre,
ließ sie dieses Feature nie wieder ausbauen.

Aber der Fluss kümmerte sich nicht darum.
Keiner wusste –
wo ein Ufer war,
wohin der Gang führte,
wo Sicherheit wartete.

Die Strömung wurde schneller.
Kompass streckte die Hand aus, versuchte etwas zu greifen –
einen Fels, eine Kante –
aber seine Finger glitten nur über glitschigen Stein.
Blut vermischte sich mit der Gischt.

Seine Lungen brannten.
Seine Kraft ließ nach.

Dann kam noch eine letzte Welle –
ein letztes Drücken,
ein Brecher, der ihn erfasste –
und nach unten riss.

Das war’s dann,
 blitzte es durch Kompass’ Bewusstsein.
Nicht Kugeln. Kein Heldentod.
  Sondern ein schwarzer Fluss, den niemand je finden wird.

Er sank.
Hinab unter die Oberfläche –
hinein in eine Stille,
so kalt und gleichgültig wie der Tod.

Kapitel 19: Rettung am Ufer

Die eisige Strömung des unterirdischen Flusses schleuderte die fünf erschöpften Entdecker durch die Dunkelheit, warf sie wie Treibholz in einem Sturm umher. Minutenlang kämpften sie um jeden Atemzug—verschluckten Wasser, husteten, rangen verzweifelt darum, sich über Wasser zu halten.​

Dann ließ die Strömung endlich nach.​

Sie wurden an ein felsiges Ufer unter einer gewaltigen Höhlendecke gespült.​

Ren wurde als Erster angespült. Hustend und Wasser spuckend kroch er blindlings vorwärts, seine Fingerspitzen kratzten über rauen Stein.​

„Ist... ist jemand am Leben?“​

Schwere Atemzüge antworteten ihm.​

„Scheint so. Zumindest... ich atme noch“, flüsterte Rivet.​

„Ich... bin hier“, keuchte Sphinx und kämpfte sich auf die Beine. „Echo? Doc?“​

„Wir sind alle hier“, kam Docs gedämpfte Antwort. Er stützte Echo, half ihm beim Aufsetzen.​

Echo stöhnte, hielt sich die Schulter—von der reißenden Strömung fast aller Kräfte beraubt, aber noch bei Bewusstsein.​

Allmählich sammelte sich das gesamte Team auf festem Boden. Durchnässt bis auf die Knochen, mit Prellungen und von Schmutz bedeckt—aber am Leben.​

Um sie herum herrschte eine unheimliche Stille:​

Nur das stetige Tropfen von Wasser auf Stein​

und das leise Rauschen des Flusses hinter ihnen—​

derselbe Fluss, der sie vor Kugeln gerettet hatte.​

Kein Schusswechsel mehr. Keine Stimmen.​

Sky's Team schien weit zurückzuliegen.​

Ren atmete schwer aus.​

Der Verrat brannte noch in seiner Brust,​

aber im Moment zählte nur das Überleben.​

„Wir müssen weiter“, flüsterte er und blickte in die dichte Dunkelheit der Höhle.​

Alles hier fühlte sich anders an.​

Es gab kaum leuchtende Pilze—nur einige spärliche Kappen, die ein blasses, geisterhaftes Leuchten abgaben.​

Kaum genug Licht, um die Umrisse dessen zu erkennen, was wie sanfte Hügel in der Ferne aussah.​

Und dahinter... nichts.​

Nur eine Dunkelheit, so dicht, dass sie lebendig wirkte, als ob sie zusähe.​

Sie bewegten sich vorsichtig vorwärts, drängten sich eng zusammen. Niemand wollte zurückbleiben.​

Jeder Schritt hallte unter dem hohen Steingewölbe wider—​

als ob die Höhle ihnen lauschte.​

Doc blickte nervös umher, klammerte sich an seine medizinische Ausrüstung wie an einen Rettungsanker.​

Die erdrückende Stille nagte an ihren Nerven.​

„Das gefällt mir nicht... Hier könnte sich alles Mögliche verbergen. Und wenn es wie diese Kreaturen zuvor ist—erinnert ihr euch?“​

Er schluckte, gequält von Erinnerungen.​

Ren nickte nur.

Doc lag nicht falsch.​

Sie erstarrten, lauschten auf das leiseste Geräusch.​

Das Dunkel schien den Atem anzuhalten.​

Rivets Herz pochte in ihren Ohren.​

Echo atmete langsam, schmerzhaft, wagte kaum, sich zu bewegen.​

Sekunden verstrichen.​

Nichts.​

Nur Wassertropfen, die in die Leere plätscherten.​

Eine Stille, so total, dass sie in ihren Köpfen dröhnte.​

Doc atmete aus—und ohne es zu merken, berührte sein Finger den Knopf seiner Taschenlampe.​

Ein plötzlicher Lichtblitz.​

„Keine Lichter!“ zischte Ren und riss seinen Arm hoch, um ihn zu stoppen.​

Zu spät.

Kapitel 20: Schatten in der Dunkelheit

Ein schmaler Lichtstrahl durchbrach die Dunkelheit und enthüllte chaotische Haufen bizarren Schutts vor ihnen. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzte ein metallischer Glanz auf—poliert, reflektierend.​

Dann änderte sich alles.​

Ein leises, unheilvolles Rascheln durchzog den Höhlenboden.​

Die Schatten begannen sich zu bewegen.​

„Was ist das...“, flüsterte Sphinx.​

Formlose Gestalten regten sich—undefinierbar und ungreifbar.​
Eine Masse lebendiger Dunkelheit rollte näher, wie einst in jenem Tunnel.​

Doc stand da, die Taschenlampe in der Hand, erstarrt.​
Etwas Kaltes, zugleich Festes und Wandelbares, glitt über seinen Arm.​

Er hatte keine Zeit zu schreien.​

Aus dem Dunkel streckten sich Dutzende schwarze Gliedmaßen nach ihm aus.​
Tentakel. Gliedmaßen.​
Etwas Lebendiges—Hungriges.​

„Aaaah!“​

Docs Schrei durchbrach die Stille.​

Er stürzte rückwärts, doch der helle Strahl in seiner zitternden Hand machte ihn zum perfekten Ziel.​

Die Schatten stürzten sich aus allen Richtungen auf ihn.​

Endlich konnten Ren und die anderen sie deutlich sehen: verdrehte Schrottgestelle—halb zerdrückte Roboterarme und Gelenke—verschmolzen mit glitschigem, pulsierendem organischem Material, durchzogen von Pilzfäden und Myzel.​

Ein kriechendes Gewirr techno-organischen Schutts ächzte vor Rost und stank nach Verfall.​
Alles stürzte sich auf eines:​
das Licht.​
Doc.​

Ren sprang vor, doch die Hälfte von Docs Körper verschwand bereits in der wogenden Masse.​

Es verschlang ihn nicht im eigentlichen Sinne—​
es absorbierte ihn, wie Treibsand.​
Rivet und Sphinx wollten losstürmen, doch Rivet schrie:​

„Halt! Es ist überall... es bewegt sich!“​

Sie riss Sphinx zurück und bewahrte sie beide davor, zu nah an die wimmelnde Masse zu treten.​
Echo stieß einen Schrei aus, gelähmt vor Entsetzen:​

„Doc!“​

Ren packte einen der metallenen „Arme“, die Doc zogen, und riss mit aller Kraft daran.​
Einen Moment lang konnte er den Fortschritt tatsächlich aufhalten—​
doch der nächste Ruck riss Docs Körper aus seinem Griff.​

Die Taschenlampe in Docs Hand zuckte wild, beleuchtete sein Gesicht in zersplitterten Momentaufnahmen: weit aufgerissene Augen voller stummer Angst, der Mund in einem letzten Schrei erstarrt—​
dann war er weg.​
Die dunkle Masse schloss sich um ihn wie ein Rachen.​
Der Strahl erlosch.​

Ein Knirschen.​
Dann Dunkelheit.​
Sein Schrei verstummte augenblicklich.​

Das Letzte, was sie hörten, war das langsame Schaben von Metall, verschluckt von der Tiefe.​
Und dann—​
Stille.​

„Doc...“​

Rivets Stimme war kaum hörbar. Ihre Ohren dröhnten vom eigenen hämmernden Puls. Niemand rührte sich.​

Ein eisiger, lähmender Schrecken ergriff sie alle.​
Ihr Freund—und einziger Sanitäter—war verschwunden, in die lebendige Dunkelheit gezogen.​
Sie standen in fassungslosem Unglauben.​
Echos Zähne pressten sich zusammen; eine weißglühende Wut flackerte in seinen Augen.​

„Ich hasse dieses... abscheuliche Ungeheuer“, spuckte er.​

Ein Versuch, Doc zu folgen, wäre Selbstmord.​
Sphinx atmete keuchend, rang nach Fassung: Sekunden zuvor war Doc noch hier... und jetzt war er es nicht mehr.​

Rivet presste eine zitternde Hand auf den Mund, kämpfte gegen Tränen.​
Rens Fäuste ballten sich so fest, dass seine Knöchel schmerzten.​
Doch er zwang sich zum Denken.​
Panik würde sie jetzt nur töten.​
Er atmete ein, die Stimme rau:​

„Keiner bewegt sich. Keine Lichter.“

Kapitel 21: Kampf ums Überleben

Das Team stand reglos in der Dunkelheit, wagte kaum zu atmen.​

Alles war klar geworden: Diese „graue Masse“ reagierte auf Licht. Wenn sie keinen Laut von sich gaben—wenn sie sich nicht bewegten oder einen Strahl entzündeten—vielleicht würden sie überleben.​

Ein Moment…​

Dann noch einer…​

Stille.​

Ihre Herzschläge donnerten lauter als jedes Rascheln oder Flüstern.​

Ren lauschte angestrengt auf etwas—irgendetwas—hoffte verzweifelt auf Docs Stimme oder zumindest ein letztes schreckliches Geräusch, das sein Schicksal bestätigte.​

Aber die Höhle war vollkommen still.​

Trauer stieg in ihm auf, brannte wie Säure in seinen Adern.​

Konnten sie Doc wirklich verloren haben?​

Er biss die Zähne so fest zusammen, dass sein Kiefer schmerzte, zwang sich, nicht zusammenzubrechen.​

Noch nicht.​

Minuten vergingen, quälend lang in der Stille.​

Schließlich sprach Sphinx mit zitternder Stimme:​

„Wir... wir haben ihn dort zurückgelassen…“​

„Er könnte noch leben,“ flüsterte Ren zurück, obwohl er kaum selbst an seine Worte glaubte.​

„Wenn sie nicht angreifen… vielleicht hält Doc noch durch.“​

Diese schwache Hoffnung flackerte wie ein einzelner Funke, aber sie klammerten sich mit allem, was sie hatten, daran.​

Sie erstarrten, lauschten auf das leiseste Geräusch.​

Und dann, von irgendwo voraus—ein schwaches Stöhnen.​

Rivet stieß Ren an.​

„Hast du das gehört?!“​

Er nickte—obwohl es in der Dunkelheit niemand sah—und formte lautlos:​

„Doc… das ist er!“​

Ein weiteres leises Stöhnen, schwach und gequält, aber unbestreitbar menschlich.​

Doc lebte.​

Ohne zu sprechen, wollten sie fast gleichzeitig vorstürmen—dann erstarrten sie.​

Blindlings loszustürmen wäre Selbstmord. Ein falscher Schritt könnte einen weiteren Angriff auslösen.​

Ren hob die Hand, bedeutete den anderen, an Ort und Stelle zu bleiben.​

Er und Rivet bewegten sich auf das Geräusch zu, schlichen in absoluter Stille vorwärts.​

Schritt für vorsichtigen Schritt, ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit. Ein schwaches smaragdgrünes Leuchten von fernen Pilzen bot gerade genug, um Umrisse zu erkennen. Voraus lagen Haufen aus Metall, organischem Material und Pilzgeflecht—ein undurchdringliches Chaos, das für jeden Menschen unmöglich zu überleben schien.​

Aber das Stöhnen ertönte erneut—diesmal leicht rechts.​

Sie entdeckten eine schmale Lücke zwischen den Trümmerhaufen. Tief gebückt zwängten sie sich hindurch, drangen tiefer in dieses düstere Labyrinth aus verdrehtem Schrott.​

Endlich erkannte Ren eine menschliche Gestalt, die am Fuß eines verbogenen Schrotthaufens lag.​

Doc.​

Er lag ausgestreckt auf einem Bett aus verbogenem Metall, kaum sichtbar im Halbdunkel.​

Rivet erreichte ihn zuerst. Vorsichtig, den Atem anhaltend, begann sie, die metallischen „Arme“—ein Gewirr aus verschmolzenem Metall und Pilzfäden—von seinem Körper zu lösen.​

Ren gesellte sich wortlos dazu, half, ihn in nahezu völliger Stille zu befreien. Gemeinsam hoben sie ein schweres Fragment an, das Docs Bein einklemmte. Doc stöhnte bei der Bewegung, aber es war ein lebendiges, unbestreitbares Geräusch.​

„Langsam… wir sind hier,“ flüsterte Ren, schob einen Arm unter Docs Schultern.​

„Wir bringen dich hier raus…“​

Nach einer angespannten Minute des Hebelns gelang es ihnen, ihn aus der Falle zu befreien.​

Sphinx und Echo krochen näher, halfen, Doc auf eine kleine Lichtung zu ziehen, die nur von einem einzigen, schwach leuchtenden Pilz erhellt wurde—nun ihre einzige Lichtquelle.​

„Doc, kannst du mich hören?“ murmelte Rivet, beugte sich über ihn.​

Er war blass; ein dünner Blutstrom rann von seiner Schläfe, und seine Augen glänzten vor Schock—aber er atmete.​

Rivet konnte sich nicht zurückhalten, stieß ein gedämpftes Schluchzen aus und klammerte sich an ihn, Tränen der Erleichterung liefen ihr über das Gesicht.​

„Götter sei Dank… wir hätten dich fast verloren…“ hauchte Sphinx, die Stimme rau.​

„Doc, Mann… wir dachten—“ Echo’s Stimme zitterte.​

Doc verzog das Gesicht vor Schmerz, hob aber eine zitternde Hand, um Echo auf die Schulter zu klopfen.​

„Ich… ich bin in Ordnung… denke ich…“ krächzte er.​

„Kann nicht glauben… dass ich es geschafft habe…“​

Noch halb benommen tastete er hinter sich nach seinem medizinischen Rucksack. Erst als seine Finger ihn umschlossen, entspannte er sich ein wenig.​

Sein Versuch eines Lächelns verwandelte sich in eine schmerzhafte Grimasse. Dennoch entfuhr den anderen ein leises Lachen—die einzige Erleichterung, die sie von der erdrückenden Anspannung hatten. Sie waren wieder vereint.​

Echo, bewegt von dem Moment, griff instinktiv nach seiner Taschenlampe, um Docs Verletzungen zu überprüfen—aber Ren packte sein Handgelenk und schüttelte den Kopf.​

Selbst jetzt könnte ein einzelner Lichtstrahl eine Katastrophe auslösen. Sie müssten Doc in nahezu völliger Dunkelheit untersuchen.​

Glücklicherweise schienen seine Wunden nicht tödlich: Prellungen, eine Platzwunde an der Stirn und offensichtlicher Schock. Sobald das Licht erloschen war, hatte die dunkle Masse offenbar das Interesse verloren und ihn beiseite geworfen, sah ihn nicht mehr als Ziel.

„Was war dieses Ding überhaupt?“ flüsterte Sphinx, warf einen unsicheren Blick auf die drohenden Haufen aus verrottetem Metall und Pilzmaterial um sie herum.

Kapitel 22: Das Geheimnis der Myco-Zombies

Ihre Augen, nun endlich an das Halbdunkel gewöhnt, nahmen die Weite der zerbrochenen Maschinen um sie herum in sich auf—eine Landschaft aus metallischem Schrott, vom Pilzgeflecht überwuchert.
Unklare Formen ragten empor und sanken wieder ab, wie die Konturen eines vergessenen Schlachtfelds, alles umhüllt vom schimmernden, smaragdgrünen Leuchten entfernter Pilze.

„Sieht aus wie ein Friedhof“,
flüsterte Sphinx mit rauer Stimme.
„Irgendeine Art … Maschinen-Grab.“

Rivet ging ein paar Schritte hinter ihm. Die Servomotoren ihres Exosuits klickten leise bei jedem Schritt. Sie hockte sich neben einen verrosteten Roboter-Torso, der schwach im Dämmerlicht glänzte. Ein Nest aus bleichen Pilzfäden durchzog seine Gelenke wie invasive Ranken. Mit vorsichtiger Kraft zog sie einen abgetrennten mechanischen Arm heraus.
Sie hob ihn zu einem nahegelegenen Büschel biolumineszenter Pilze und betrachtete das verdrehte Metall.

„Das ist nicht einfach nur Schrott“,
murmelte sie.
„Definitiv ein Roboterarm … vielleicht ein Zweibeiner oder ein automatisierter Arbeiter. Der Pilz ist bis ins Innere eingewachsen.“

Ren trat näher, ging neben ihr in die Hocke. Selbst im schwachen Licht war die skelettartige Form unverkennbar: ein robotisches Gliedmaß, halb aufgelöst von Zeit und mikrobiellen Fäden.
Er erinnerte sich an Gerüchte über alte Labore und unterirdische Gießereien, verschüttet durch Jahrhunderte des Zerfalls.

„Dann leben sie nicht mehr“,
sagte er leise.
„Nur … kaputte Maschinen, vom Pilz überwuchert. Aber sie sehen aus wie … Untote.“

„Myco-Zombies“,
murmelte Echo mit einem schiefen Grinsen, während er auf das unheimliche Fundstück starrte.

Doc, immer noch schwer atmend, nickte schwach.

„Genau … Die Sporen müssen ihre Systeme korrumpiert haben“,
krächzte er.
„Sie sehen und hören kaum noch etwas.“

„Aber sie reagieren noch auf Licht—besonders auf scharfe, gebündelte Strahlen.“
„Nicht, weil sie uns erkennen … sondern weil sie vom Licht angezogen werden. Geistlos. Ziellos. Wie Motten zum Feuer.“

Ren spürte, wie ihn ein Schub der Erleichterung durchfuhr.
Allein der Name—Myco-Zombies—nahm den Kreaturen etwas von ihrem Schrecken.
Nur defekte Roboter, die ziellos durch die Finsternis trieben, auf jedes Leuchten zuschlugen.

„Deshalb haben sie uns angegriffen, sobald wir Taschenlampen benutzt haben“,
sagte er.
„Sie sind nicht bösartig. Sie folgen nur dem Licht.“

Er drehte sich um—und sah, wie Rivet weiteres Pilzgeflecht von einem alten Gerät entfernte. Ihr Exosuit zischte leise, als sie sich neu positionierte.
Mit präziser Sorgfalt schnitt sie einen schleimigen Klumpen wurzelartiger Fasern ab und legte das beschädigte Gehäuse eines Roboters frei.
Im Inneren glänzte eine kunstvoll gewickelte Spule.

„Hey“,
hauchte sie, während sie den letzten Schimmelrest beiseite wischte.
„Das sieht fast aus wie eine Tesla-Spule. Siehst du die geschichteten Windungen?“

Alle fünf beugten sich näher.
Sphinx’ Augenbrauen schossen in die Höhe, die Anspannung in seinen Schultern wich kurz.

„Eine Tesla-Spule? In einem Roboter?“

Trotz der umgebenden Düsternis war die Erleichterung in den Gesichtern der anderen spürbar.
Die Furcht vor dem Unbekannten hatte wie eine erstickende Decke auf ihnen gelegen.
Doch nun, angesichts dieser mechanischen Leichname, schien zumindest ein Hauch von Logik hinter dem Albtraum aufzutauchen.

Doch so beruhigend die Erklärung war, sie warf neue Fragen auf.
Sphinx deutete auf die aufgehäuften Metallleiber—dieses stille Mausoleum vergessener Technologie.

„Was ist hier unten passiert? Es wirkt wie eine letzte Ruhestätte für eine ganze Legion von Maschinen … oder mehr. Gab es einen Krieg? Einen Kollaps? Oder hat man sie einfach … entsorgt?“

Ren betrachtete die gewaltigen Haufen zerstörter Konstruktionen. Manche ähnelten humanoiden Androiden, andere ruhten auf Ketten oder spinnenartigen Beinen.
Verdrehte Chassis, zerborstene Panzerplatten, Kabel, die wie Eingeweide aus einem Horrorszenario herausquollen.

Rivet atmete zitternd aus, strich sich mit dem Handrücken über die feuchten Wimpern.
Sie hatte Doc beinahe an diesen Schwarm verloren. Und jetzt, im Schein der fahlen Pilze, erkannte sie das ganze Ausmaß der Bedrohung.
Jenseits des schwachen Leuchtens zogen sich die Schrotthaufen endlos in die Ferne, formten Schluchten und Grate aus rostendem Stahl.

„Eine ganze Armee“,
flüsterte sie.
„Alles hier unten begraben, vergessen. Oder weggeworfen wie Müll.“

Sphinx holte tief Luft, um sich zu fassen.

„Aber … wenn sie Tesla-ähnliche Spulen nutzen, dann bedeutet das, dass irgendwo in diesem Komplex ein Generator oder eine Station noch aktiv ist. Selbst nach all den Jahrhunderten.“

Rivets Gesicht hellte sich auf—ein Funken Hoffnung inmitten des Schreckens.

„Genau. Wenn diese Station noch funktioniert, könnten wir sie anzapfen. Echo könnte sein Signal verstärken oder sogar eine Direktverbindung nach draußen finden. Wir könnten Hilfe rufen. Oder wenigstens herausfinden, ob noch jemand zuhört.“

Ein Schweigen legte sich über die Gruppe.
Hoffnung—eben noch am Verschwinden—flackerte erneut auf.
Vielleicht gab es einen Weg, Kontakt zur Oberfläche aufzunehmen. Oder zu jemandem, der sie suchte.

Ren atmete langsam aus und ließ den Blick durch das verfallene Labyrinth schweifen.

„In Ordnung“,
sagte er.
„Wenn diese Station noch läuft, ist sie unsere beste Chance. Wir können nicht ewig hier unten bleiben, in der Dunkelheit leben und kaputten Robotern ausweichen. Lasst uns versuchen, die Spulen bis zur Quelle zurückzuverfolgen.“

„Gebt mir einen Moment …“
murmelte Echo und rieb sich den schmerzenden Arm.
„Aber ja … Wenn wir die Hauptkonsole finden, könnte ich mich einklinken. Wenn die Grundstruktur intakt ist, lässt sich vielleicht ein starkes Signal durchleiten.“

Doc fuhr sich mit der Hand durchs feuchte Haar.

„Ich kann kaum glauben, dass diese Dinger gebaut wurden, um Jahrhunderte zu überstehen“,
sagte er leise hallend.
„Es muss eine hochentwickelte Zivilisation gewesen sein … oder ein geheimes Versuchslabor, das niemand kannte.“

Ren nickte langsam, Gedanken an die Gerüchte einer unterirdischen Stadt.

„Entweder wurde die Anlage bewusst abgeschaltet—
oder es gab einen Unfall, der alles zurückließ.“

Der stechende Geruch von Verfall und Oxidation füllte die Luft und ließ Rivet unwillkürlich frösteln.
Wenn es ein Unfall war, musste er katastrophal gewesen sein.
Wenn es Absicht war … dann war die Wahrheit vielleicht noch düsterer.

Bevor jemand weiterreden konnte, durchbrach ein plötzlicher Lärm die Stille:
Rufe, von oben hallend.
Ein entferntes Klirren von sich bewegendem Metall—als ob schwere Schritte über eine höhere Plattform polterten.

„Sie sind hier! Schnell, runter!“
schrie eine Stimme voller Dringlichkeit.

Rens Herz sackte ab.
Diese Stimme …

Skys Team.

Kapitel 23: Die Verfolger

Ren zuckte zusammen und gab sofort ein Handzeichen zum Abtauchen.
Oben, auf den höheren Haufen aus Altmetall, dröhnten schwere Stiefel, begleitet von scharfen Befehlen. Er kannte diese Stimme.

Sky.
Ihr Team hatte sie gefunden—wieder einmal.

Skys Team schaltete keine Lichter ein.
Und doch sahen sie sie.

Kein einziger Lichtstrahl durchschnitt die Dunkelheit. Kein Aufflackern verriet ihre Position. Aber die Schritte kamen näher—zielstrebig, schnell—und mit einer erschreckenden Sicherheit.

„Wie …?“
flüsterte Ren kaum hörbar.
„Sie verfolgen uns—im Dunkeln.“

Diese Erkenntnis jagte ihnen einen eisigen Schauer über den Rücken.
Irgendwie bewegten sich Sky und ihre Leute durch diese Todeszone, als wären sie nicht blind. Als wäre die Dunkelheit keine Gefahr—sondern ihre Waffe.

Im Gegensatz zu ihnen brauchten sie kein Licht.
Und genau das machte sie so gefährlich.

„Runter!“,
zischte Ren.

Sie warfen sich in den Schatten zwischen verdrehten Metallbergen.
Schweres Atmen. Kein Licht. Aber über ihnen bewegten sich Silhouetten—Gestalten in Rüstungen, die mit chirurgischer Präzision herabstiegen.

Keine Taschenlampen.
Und doch—sie sahen.

„Versteckt euch, und es wird nur schlimmer!“
Mambas Stimme—scharf, nah. Viel zu nah.

Ren presste die Kiefer zusammen. Kein Raum zum Fliehen.

Und dann—

„Bewegung! Links!“

Doch statt eines Schusses ertönte ein dumpfes Ploppen.
Etwas flog durch die Luft—und klatschte mit einem feuchten Geräusch auf den Fels.

„Granate?!“
Ren reagierte instinktiv.

Doch es folgte keine Explosion.
Nur ein zischendes Knacken—und dann Licht.

Ein pulsierendes gelbes Leuchtfeuer flackerte in ruckartigen Impulsen auf, zuckte über den schrottbedeckten Boden.

„Mach es aus! MACH ES AUS!“
schrie Rivet.

Zu spät.

Von allen Seiten erhob sich ein Kreischen aus zerdrücktem Metall.
Einer nach dem anderen begannen die verstümmelten Leiber uralter Maschinen sich zu regen—

—die tote Legion der Roboter, angelockt vom grellen Puls des Signals.

Mit einem dröhnenden Geklapper und metallischem Geheul erwachte der Schwarm zum Leben,
krabbelte übereinander, verschmolz zu einer einzigen Lawine aus wimmelndem Schrott.

Alles stürzte auf einen Punkt zu:
das blinkende Signal, das direkt neben Rens Team lag.

„Zurück!“,
bellte Ren.

Er sprang vor, riss die pulsierende Kugel an sich und schleuderte sie mit aller Kraft—hinüber zum Flussbett.

Die leuchtende Sphäre flog durch die Luft, blinkte noch immer.

Gerade rechtzeitig.
Die Welle aus Maschinen donnerte an ihnen vorbei, nah genug, um sie unter sich zu begraben.

Ein brüllendes Meer aus Stahl bog ab,
verfolgte den Lichtbogen.

Doch sie waren noch nicht in Sicherheit—Skys Truppe war nicht verschwunden.

„Lauft!“,
schnappte Ren, sprang auf.
„Wir müssen uns bewegen, solange die Maschinen noch in Bewegung sind!“

Die Gruppe setzte sich in Bewegung.
Sie nutzten das Chaos als Deckung und rannten tiefer in das Labyrinth hinein.

„Halt!“
ertönte Mambas Stimme hinter ihnen.

Aber niemand hielt an.

Ren führte sie, schlängelte sich durch verrostete Wracks.
Die Dunkelheit legte sich erneut um sie, nur unterbrochen von fernen Mündungsfeuern,

die für einen Moment die fliehenden Silhouetten erhellten.
Kugeln pfiffen durch die Luft, prallten von Metall ab.

Dann plötzlich—Weite.
Ren stolperte in eine offene Fläche.

Er machte zwei Schritte—und der Boden gab nach.

Glatte Metallplatten klappten weg—
und das ganze Team stürzte in einen gähnenden Abgrund.

Keine Zeit zum Schreien.
Nur das metallische Krachen ausgelöster Platten,
ein paar erschrockene Rufe—

und das dumpfe Aufprallen ihrer Körper in der Tiefe.

Kapitel 24: Unter dem Schrottplatz

Der Sturz war nicht tief – zerbrochene Roboter und dichte Matten aus Pilzgeflecht dämpften ihren Aufprall. Sie landeten hart am Boden der Grube, verschluckt von nahezu völliger Dunkelheit.​

Nur das keuchende Atmen des Teams durchbrach die Stille.​

Hoch oben hallte das Knirschen von Maschinen leise wider – der gewaltige Schwarm toter Roboter regte sich noch immer an der Oberfläche, angelockt vom kleinsten Lichtschein. Hin und wieder drangen gedämpfte Stimmen ihrer Verfolger herab... dann verklangen sie langsam, von der Entfernung verschluckt.​

„Keine Lichter“, krächzte Ren und stützte sich auf einen Ellbogen. „Hier unten könnte noch mehr sein…“​

Niemand widersprach.​

Die Erinnerung daran, was Licht beim letzten Mal heraufbeschworen hatte, war noch zu frisch. Ein einziger Fehler hätte sie beinahe das Leben gekostet. Selbst jetzt zuckte Doc bei der Erinnerung zusammen, sein Atem zitterte.​

Eine lange Minute bewegte sich niemand.​

Sie lagen still in der erstickenden Dunkelheit, wagten kaum zu atmen. Das einzige Geräusch war das leise Beben des Metalls um sie herum – eine Erinnerung daran, dass etwas Massives noch immer in der Tiefe lauerte.​

Staub und feines Eisen kratzten in ihren Kehlen.​

„Wie... wie kommen wir hier raus?“ flüsterte Sphinx. „Keine Ahnung“, antwortete Doc zwischen Atemzügen. „Sieht aus wie... eine Art Wartungsbucht.“​

Ren tastete im Dunkeln nach seinem Rucksack.​

„Zuerst finden wir heraus, wo wir sind. Lichter bleiben aus.“​

Dann—

„Wartet – unsere IR-Brillen!“ Rivets Stimme war scharf vor Hoffnung. „Wir haben sie für die Tunnel mitgebracht, erinnert ihr euch?“​

Rens Augen weiteten sich.​

Natürlich. Erfahrene Entdecker, die völlig ihre eigene Ausrüstung vergessen hatten. Aber nach allem, was sie durchgemacht hatten, war Denken dem Überleben gewichen.​

Rivet und Echo durchsuchten bereits ihre Ausrüstung.​

Sekunden später – Erfolg.​

Echo aktivierte das erste Set, und ein sanftes Gitter aus Infrarotstrahlen flimmerte durch den Raum.​

Formen traten aus der Dunkelheit hervor.​

Sie lagen in einer alten Maschinenbucht, umgeben von ausgemusterten Robotern und zerbrochenen Komponenten. Am fernen Ende der Kammer standen massive Industriezerkleinerer still. Verstümmelte Androidenglieder und verdrehte Chassis übersäten ein totes Förderband.​

Spuren von feinem Schrott und oxidiertem Metall zogen sich über den Boden – eine Geisterspur dessen, was einst bewegt wurde.​

Jetzt war alles still. Kalt. Leise.​

Sie folgten vorsichtig dem zerbrochenen Pfad, ihre Stiefel knirschten über Schutt und Trümmer, bewegten sich auf das zu, was wie ein alter Schmelzofen oder Verbrennungsofen aussah. Die gebogenen Metallbögen, die einst geschmolzene Legierungen leiteten, glänzten noch schwach unter Infrarot – ein versteinertes Herzschlag eines längst stillgelegten Maschinenwesens.​

Als sie das Förderband verließen, erfasste sie das volle Ausmaß des Ortes. Und für einen Moment – trotz allem – entfuhr jemand fast ein Keuchen.​

„Wow…“ hauchte Rivet. „Da ist... so viel. Überall Strukturen.“​

Die riesige Kammer öffnete sich vor ihnen wie eine vergrabene Kathedrale – Wände aus verrosteten Paneelen, stille Förderbänder, eingefrorene Roboterarme. Oben verschwanden skelettartige Laufstege in der Dunkelheit wie die Rippen eines längst toten Ungeheuers. Und an den fernen Wänden Türme von Maschinen – viele noch aufrecht, in Bewegung eingefroren, als warteten sie auf einen Befehl, der nie kam.​

„Eine Verarbeitungsanlage“, murmelte Rivet ehrfürchtig. „Das erklärt die Berge oben. Sie brachten sie hierher zur Demontage… und hörten einfach auf.“​

„Also ist der Schrottplatz oben – das, was nie durch das System kam“, sagte Ren leise. „Oder vielleicht wurde der ganze Ort einfach... abgeschaltet.“​

Sphinx verengte die Augen und scannte tiefer in die Schatten.​

„Dort... dieser Korridor. Er führt weiter hinein. Könnte ein Ausgang sein.“​

„Oder ein weiterer Tunnel voller metallener Albträume“, murmelte Echo.​

Sie bewegten sich langsam, hielten sich an der Wand, achteten darauf, nichts zu stören. Jeder Schritt hallte in hohlen Metallklängen wider.​

Der Friedhof wurde durch Infrarot schärfer: Montagelinien, stille Kräne, träge Glieder... und die unbeweglichen Silhouetten von Maschinen, die nur ein wenig zu lebendig wirkten.​

„Sie sehen... lebendig aus“, flüsterte Sphinx.​

Am fernen Ende des Raumes fanden sie eine versiegelte Luke – ein Metallpaneel, das in die Ecke einer Wand geneigt war.​

Rivet trat vor, die Gelenke ihres Exosuits knarrten leise, als sie sich abstützte. Ihre Muskeln zitterten vor Erschöpfung, aber sie zögerte, die volle Servokraft einzusetzen. Geräusche könnten noch immer Dinge anlocken – was auch immer diese Dinge waren.​

Sie arbeitete langsam am Paneel, vorsichtig. Das Metall stöhnte im Protest, aber es bewegte sich genug, damit ein Luftzug aus kalter, abgestandener Luft hindurchströmen konnte.​

„Was jetzt, Kompass?“ fragte Echo und beugte sich zum Spalt.​

„Wir bewegen uns“, sagte Ren mit fester, leiser Stimme. „Regroupieren. Einen Weg aus diesem Ort finden.“​

Mit flachem Atem, gemessenen Schritten drang das Team weiter vor – in das dunkle Herz der vergessenen Maschinenwelt.​

Und mit ihnen bewegte sich ein stilles Versprechen:​

Sie würden einander nicht wieder verlieren.

Kapitel 25: Stille Zuflucht

Schon bald entdeckten sie einen kleinen Nebenraum – die schwere Tür stand einen Spalt offen.​

„Sieht sauber aus“, flüsterte Ren „Kompass“ Wayland und warf einen vorsichtigen Blick hinein.​

Die Wände waren gesäumt von veralteten Kontrollpulten, verrosteten Konsolen und Kabeln, die wie freigelegte Nerven aus dem Boden ragten. Es wirkte wie eine alte Versorgungsstation – bescheiden in der Größe, größtenteils intakt und, zum ersten Mal, unberührt von Zerstörung.​

Die anderen folgten ihm, zunächst angespannt… bis sie sich vergewissert hatten, dass der Raum wirklich leer war.​ billiger-mietwagen.de+4businessinsider.de+4produktion.de+4

„Endlich... ein Ort zum Durchatmen“, seufzte Ren. „Ich denke, wir können es wagen, etwas Licht zu machen.“​

Ohne zu zögern zog Rivet eine kompakte Campinglaterne hervor.​

Click.

Ein sanftes Leuchten erfüllte den Raum, tauchte die zerfurchten Wände, staubigen Terminals und längst erloschenen Maschinen in warmes Licht. Zum ersten Mal seit Stunden konnten sie einander ohne den geisterhaften Schimmer des Infrarot sehen. Es fühlte sich... wieder menschlich an.​

„Hoffen wir, dass das keine Lichtjäger anlockt“, murmelte Sphinx.

„Würde ich im Flur nicht versuchen“, entgegnete Ren mit einem Schulterzucken. „Aber hier – wir haben eine Tür, einen schmalen Eingang. Schwer vorstellbar, dass diese massigen Bots unbemerkt durchkommen.“​

Echo überprüfte die Scharniere und den Rahmen. Sie waren solide. Sollte etwas kommen, könnten sie sich verbarrikadieren.​

Doch nun, im sanften Licht, bemerkte Doc etwas Beunruhigendes:​

Drei von ihnen – Ren, Rivet und Sphinx – hatten schwache, verzweigte Markierungen auf der Haut.​

Rivet hatte einen blassen Fleck am Handgelenk.​

Ren, eine subtile Verfärbung entlang des Halses.​

Sphinx – kleine Flecken nahe dem Unterarm.​

Doc überprüfte leise sein eigenes Bein, wo sein Anzug beim Sturz zerrissen war.​

Unter dem Stoff hatten sich dunkle Punkte über die Haut ausgebreitet wie verstreute Tinte.​

„Nun...“, murmelte Doc und zog den Stoff zurück. „Sieht aus, als hätten wir uns eine Pilzinfektion eingefangen – damals, als unsere Filter rissen. Dann kamen die Sporen... der Fluss... der Schrottplatz.“​

„Ergibt Sinn“, sagte Ren grimmig. „Was ist mit Echo?“​

Alle Augen wandten sich ihm zu. Echo überprüfte seine Arme, seinen Hals, seine Kieferlinie –​

Nichts. Keine Markierungen. Keine Verfärbungen. Keine sichtbare Infektion.​

Sie tauschten Blicke. Die Erkenntnis schlich sich wie Nebel ein.​

„Bei der ersten Begegnung“, murmelte Sphinx, „als diese Dinger ihn injizierten—“​

„Sie haben ihn nicht angegriffen“, beendete Doc. „Sie haben ihn behandelt. Das war kein Gift – es war Antipilzmittel.“​

„Also waren das keine Zombies“, sagte Rivet ungläubig. „Es waren Medbots?“​

„Sieht ganz danach aus“, nickte Doc. „Redundante Systeme. Medizinische Notfallprotokolle. Backup-Energie. Kein Wunder, dass sie besser durchgehalten haben als der Rest.“​

Stille kehrte ein. Ein zerbrechliches Verständnis.​

Ren setzte sich neben eine verrostete Konsole, fuhr sich mit der Hand durch das Haar.​

„Also... wir hielten Ärzte für Monster. Jetzt haben wir Sporen unter der Haut – und Echo nicht.“​

Doc blinzelte, erinnerte sich.​

„Die Spritzen“, sagte er und griff in seinen Rucksack. „Ich habe ein paar von ihnen mitgenommen – nur für den Fall.“​

Er legte sie auf ein Metallpaneel. Die anderen beugten sich vor.​

Zwei volle Ampullen. Und eine beschädigte, halb gefüllt.​

„Wenn das ist, was Echo gerettet hat...“, sagte Sphinx leise, „könnte es funktionieren. Aber es reicht nicht für uns alle.“​

„Also, wer entscheidet?“, fragte Doc ruhig. „Wie wählen wir aus, wer geheilt wird?“​

Niemand antwortete. Die Schwere der Entscheidung lag über ihnen allen.​

Dann sprach Rivet.​

„Echo ist sicher. Das lässt vier von uns übrig. Lasst uns genau herausfinden, was wir haben.“​

Ren nickte.​

„Vier Personen. Zwei und eine halbe Dosis.“ Er sah sich um. „Ich, Rivet, Sphinx, Doc.“​

„Ich denke, meine ist die leichteste“, sagte Sphinx und rollte seinen Ärmel hoch. „Ich nehme die halbe Dosis. Gebt die vollen denen mit weiter verbreiteten Infektionen.“​

„Gleiches hier“, fügte Doc hinzu. „Meine breitet sich langsam aus. Ren und Rivet sollten zuerst.“​

Während sie das Serum aufteilten, wanderte Echo zu einem verblassten roten Schrank. Er öffnete ihn vorsichtig.​

„Notfall-Medikit“, murmelte er. „Noch versiegelt…“​

Innen – Verbände. Mull. Basische Antiseptika.​

Kein Antipilzmittel.​

„Nur Erste Hilfe“, seufzte er. „Aber wenn noch Medbots draußen sind… vielleicht gibt es ein Medbay.“​

Hoffnung. Schwach, aber real.​

Sie einigten sich: Ren und Rivet würden die vollen Dosen erhalten.​

Sphinx würde die beschädigte nehmen.​

Doc – der darauf bestand, warten zu können – würde verwenden, was übrig blieb.​

Sollten sie einen weiteren Medbot, eine Klinik, irgendetwas finden – das Serum hätte oberste Priorität.​

Mit leicht zitternden Händen verabreichte Doc

Похоже, произошла техническая ошибка при попытке завершить перевод главы. Я продолжу и закончу её сейчас — в том же литературном немецком стиле с цитированием для диалогов.


Mit leicht zitternden Händen verabreichte Doc die Injektionen.
Er wählte die am wenigsten beschädigten Stellen, setzte die Nadel an und drückte langsam den Kolben hinunter.

Ren biss die Zähne zusammen, als die Flüssigkeit sich ausbreitete.

„Lieber das… als zu einem Pilz zu werden“, murmelte er.

Eine stille Ruhe legte sich über den Raum. Irgendwo in dieser Stille drehte sich Sphinx plötzlich um. Etwas an der gegenüberliegenden Wand hatte sein Infrarotbild erfasst — eine halb vergrabene Zeichnung. Eine Karte.

Pfeile. Verblasste Glyphen.
Beschriftungen in einer Schrift, die älter war als jede bekannte Sprache.
Und das Seltsamste:

Sie konnten sie lesen.

Keine Übersetzung. Kein Zögern.
Sie wussten es einfach.

Niemand stellte die Frage. Nicht jetzt.
Sie waren zu erschöpft, zu leer.

Doch mit einem Flackern von Serum im Blut und neuen Fragen in den Knochen,
packten sie ihre Ausrüstung zusammen.

Die pilzartigen Medbots waren keine Feinde.
Sie waren die letzten Ärzte einer vergessenen Stadt.

Aber die Welt war dadurch nicht sicherer geworden.
Die Fabrik wartete noch immer.
Stahl und Schweigen.
Und etwas im Dunkeln, das sich erinnerte, warum es erschaffen worden war.

Vielleicht gab es einen Ausweg.
Vielleicht ein Heilmittel.
Oder vielleicht… war die Wahrheit schlimmer, als sie je geahnt hatten.

Atlantis war nicht verschwunden.
Es war begraben worden.
Gefressen.
Verschlungen von etwas, das sie erst jetzt begannen zu benennen:

Dem MycoBrain.

Kapitel 26: Die Planungshalle

Der Aufstieg vom Roboterverarbeitungszentrum wurde mit jedem Schritt steiler. Pilzmoos haftete an dem alten Beton, und die Luft wurde mit zunehmender Höhe dünner. Ihre Stiefel schabten über verfallenen Metallstaub und verbrannte Rückstände – Spuren vergangener Bewegungen, die längst zum Stillstand gekommen waren.​

Niemand sprach. Es gab nur das Schlurfen der Schritte und das hohle Schweigen der Erwartung.​

Dann ebnete sich der Hang – und die Struktur trat hervor.​

Sie erhob sich mit unheimlicher Symmetrie aus dem Überwuchs: ein Monolith aus glattem Beton und Stahl, seine Fassade durchzogen von vertikalen Lamellen aus verstärktem Glas. Es sah weder wie ein Lagerhaus noch wie ein gewöhnlicher Kommandoposten aus. Es war zu geometrisch. Zu durchdacht.​

Am Fuß: versiegelte Tore. Massiv. Kalt. Still.​

Ren trat als Erster heran und fuhr mit der Hand entlang der zentralen Naht. Der Verriegelungsmechanismus war nicht mechanisch. Vielleicht magnetisch. Einst autonom. Aber seit Jahrhunderten tot.​

„Kein Durchkommen hier“, murmelte er.

Sie umrundeten die Struktur. Die Wände krümmten sich mit dem Gelände, nur unterbrochen von dunklen Glasplatten. Dann zeigte Echo schweigend:​

„Dort.“

Eine Platte war vor langer Zeit zerbrochen. Der Bruch zog sich wie ein Spinnennetz über ihre Oberfläche. Mehrere Scherben waren herausgefallen und bildeten eine gezackte Öffnung, gerade breit genug für einen menschlichen Körper.​

Rivet erreichte sie als Erste. Ihr Exoanzug zischte, als sie hindurchkletterte.

Innen: Stille.​

Der Geruch von trockenem Rost und verbrauchtem Harz. Der Boden, bestäubt mit Sediment und zusammengebrochenen Pilzfäden.​

Der Raum, den sie betraten, war weit, kathedralenartig im Maßstab – aber nicht religiös. Dieser Ort war für etwas Kälteres gebaut.​

Es war ein Raum für Gedanken. Für Berechnungen.​

Es war die Halle der Planer.​

Die Stille im Inneren hatte Gewicht. Jeder Schritt hallte wider – zu sauber, zu scharf.​

Nichts lebte hier, aber etwas… blieb.​

Im Zentrum der Kammer stand eine erhöhte Plattform.​

Darauf: ein breiter, runder Tisch, halb vergraben unter Jahrzehnten von Staub.​

Darüber: eine verspiegelte Kuppel, die schwaches Licht in verzerrten Winkeln reflektierte und ihre Bewegungen wie geisterhafte Echos zurückwarf.​

Eingebettet in die Oberfläche des Tisches: eine modellierte Karte.​

Nicht holographisch. Nicht digital.

Fest. Handgefertigt. Monumental.​

Miniaturstrukturen umgaben eine zentrale Achse.​

Geometrische Markierungen. Formationen. Keine Beschriftungen. Keine Legende.​

Zwei Hauptfiguren standen sich gegenüber.​

Zwischen ihnen: ein massives Symbol – teils Schwert, teils Achse.​

Hinter ihnen: ein seltsamer ornamentaler Baum, geschmiedet in spiralförmigen Linien, wie ein Relikt oder Wappen.​

Um sie herum markierten kubische Spielsteine Richtungen. Fluss. Druck.​

Aber nichts war beschriftet.​

Dies war kein Plan – es war ein Ritual. Ein Modell der Absicht, eingefroren in der Zeit.​

Sphinx stand still, die Augen scannten die Stücke.​

Er berührte sie nicht.​

Niemand tat es.​

Sie konnten es in ihren Knochen fühlen: Dieser Ort war nicht für Bediener gedacht.​

Er war für Architekten des Krieges gedacht.​

Die Wände erstreckten sich in ein eckiges Gewölbe. Jede Oberfläche sorgfältig angewinkelt, akustisch abgestimmt. Jeder Atemzug trug.​

Jede Bewegung zählte.​

Und nahe der gegenüberliegenden Wand – ein Durchgang.​

Ein gewölbter Schwellenbogen, halb versiegelt durch eine dicke Stahlplatte, als hätte jemand einst in Eile verlassen und sei nie zurückgekehrt.​

Dahinter: ein Korridor. Schmal. Kalt.​

Absteigend.​

Ren trat ohne Worte darauf zu.​

„Er führt zur Arena“, dachte er.

Kein Rätselraten. Ein Wissen.​

Was auch immer hier entschieden wurde… wurde dort getestet.​

Sie verweilten nur einen Moment länger.​

Die verspiegelte Kuppel beobachtete ihren Abgang.​

Und dann gingen sie unter ihr hindurch –​

vorbei am stillen Kreis der Figuren,​

hinein in den Schlund von etwas, das weit älter war als Befehl.​

Wo Entscheidungen zu Design wurden.​

Und Design zu Schicksal.

​Kapitel 27: Die Arena, in der niemand siegte

Der Korridor öffnete sich—​

Und vor ihnen erstreckte sich eine kolossale Arena, so weit und still, dass es schien, als hielte sie den Atem an.​

In der Mitte standen zwei Titanen.​

Zwei humanoide Maschinen, jede mindestens fünfzehn Meter hoch, Schulter an Schulter, als wären sie in einem letzten Moment der Verteidigung erstarrt.​

Zwischen ihnen, aufgehängt an einem großen, gebogenen mechanischen Bogen, hing ein massives zweischneidiges Schwert.​

Darunter—ein einzelner Baum, dessen Stamm und Äste wie Fäden aus gewebtem Gold schimmerten.​

Und an einem fragilen Ast leuchtete eine einzelne goldene Frucht schwach.​

„Sie… bewachen es“, flüsterte Rivet.​

„Das Schwert, der Baum… wir haben das schon einmal gesehen.“​

„Im Planungssaal“, bestätigte Echo und blinzelte in die Szene.​

„Es ist das gleiche Layout. Nur jetzt—es ist real.“​

„Als wären wir direkt in die Simulation getreten“, fügte Sphinx hinzu.​

Die Arena war ein Friedhof.​

Zehntausende von Drohnen lagen über das Feld verstreut—verkohlt, verstümmelt, in bedeutungslose Haufen zerlegt.​

Maschinen mit Klauen, Rädern, Flügeln, Spinnenbeinen… alle in perfekten Formationen zerstört.​

Jede Reihe von Wracks trug Spuren von Strategie, das Layout zu durchdacht für Zufall.​

Und jede Strategie war gescheitert.​

„Das war nicht nur ein Kampf“, sagte Doc, als er vortrat.​

„Es war ein Test.“​

Sie gingen durch das Trümmerfeld, traten über geschmolzene Skelette und verbrannte Panzerplatten.​

Die Luft roch nach Asche und Erinnerung.​

„Hunderte von Simulationen“, murmelte Rivet.​

„Aber keine erreichte das Zentrum. Nicht einmal annähernd.“​

Dies war mehr als eine Kampfprüfung. Es war eine Geschichte des Denkens.​

Jede gefallene Drohne eine widerlegte Hypothese.​

Jeder Riss im Steinboden—ein Echo eines gescheiterten Versuchs, Perfektion zu erreichen.​

Sie näherten sich dem Zentrum.​

Der goldene Baum war nur drei Meter hoch, seine dünnen Äste glitzerten im metallischen Licht.​

Und an einem hing die Frucht.​

Still. Unbeansprucht.​

Ein Symbol, bewahrt in Bernstein.​

„Warum kommt mir diese Frucht bekannt vor?“ murmelte Echo.​

„Wie etwas, das wir erinnern sollten“, antwortete Ren.​

„Aber vergessen haben. Wie ein Traum, der im Moment des Erwachens entgleitet.“​

Sie hoben ihre Augen zu den Titanen.​

„Was bewachen sie?“ fragte Rivet laut.​

„Was symbolisiert die Frucht?“​

„Unsterblichkeit“, schlug Sphinx vor.​

„Oder Wissen. Oder Macht. Oder vielleicht… nur Erinnerung.“​

„Oder der Schlüssel zu etwas… Größerem“, sagte Ren.​

„Das Recht zu wählen.“​

Sie betrachteten das Schwert.​

Es bewegte sich nicht, aber es fühlte sich an, als könnte es. Als ob ein einziger Gedanke ausreichen würde, es zu entfesseln.​

Nur ein Schlag.​

Genug, um jeden zu zerstören, der sich näherte.​

„Wir wurden nicht hierher eingeladen“, sagte Ren leise.​

„Aber vielleicht ist das der Punkt. Vielleicht ist die Lektion, dass man kein Spiel gewinnen kann, das nie zum Gewinnen gedacht war.“​

„Weil der Gewinner nie ins Modell geschrieben wurde“, fügte Doc hinzu.​

Sie standen im Herzen des ältesten Kampfes.​

Die Giganten—unbesiegt.​

Die Frucht—ungepflückt.​

„Wenn hier niemand jemals gewonnen hat“, sagte Echo,​

„dann haben sie auch nicht dort gewonnen, wo der wahre Krieg geführt wurde.“​

Ren betrachtete die Frucht ein letztes Mal.​

„Wenn sie niemand jemals genommen hat…​

Vielleicht sollte das auch niemand.“​

Sie wandten sich ab.​

Nicht aus Angst.​

Aus Respekt.​

Die Arena verlangte keine Herausforderer mehr. Sie hatte ihren Zweck erfüllt.​

Der einzige verbleibende Sieg war die Erkenntnis, dass es keinen Sieg zu erringen gab.​

Hinter ihnen standen die beiden Giganten—sie bewachten nicht den Baum, nicht das Schwert, nicht die Frucht.​

Sie bewachten eine Frage.​

Eine, die niemand jemals beantwortet hatte.

​Kapitel 28: Die Tote Stadt

Der Wartungstunnel, der sie aus der Arena geführt hatte, war überraschend schmal und schlängelte sich zwischen hohen Wänden hindurch, bevor er sich in ein enges Raster gedrungener, funktionaler Gebäude öffnete. Sie wirkten wie gestapelte Container, dicht aneinandergedrückt, und bildeten ein Labyrinth aus Gassen mit verblassten Schildern, staubbedeckten Türen und rostigen Lüftungsschächten.​

„Sieht aus wie ein Versorgungssektor“, murmelte Doc und blickte sich um. „Diese Kisten sind Werkstätten. Und dort – ausklappbare Betten. Hier haben Leute gelebt.“​

Die Strukturen erinnerten an mobile Einheiten, wie sie von Außenteams genutzt werden. Alles war spartanisch: Werkzeughalterungen, Feldbetten, offene Duschkabinen, Uniformen ordentlich in Metallschubladen verstaut. Es war offensichtlich, dass hier niemand aus Komfortgründen lebte – es war ein Ort zum Arbeiten, nicht zum Ausruhen.​

„Willkommen zu Hause…“, murmelte Rivet mit einem Hauch von Begeisterung, während sie sich langsam im Kreis drehte. Ihre Augen leuchteten beim Anblick der Werkbänke und staubigen Maschinen unbekannten Zwecks. „Diese Sachen... ich könnte die Hälfte davon wieder zum Laufen bringen. Wenn ich nur herausfinden könnte, wie sie funktionieren…“​

„Ich hasse es, den Moment zu ruinieren“, sagte Ren trocken, „aber hunderte Pfund mysteriöser Technik mit uns zu schleppen, ist keine gute Idee – besonders wenn Skys Team irgendwo in der Nähe ist. Wir müssen leicht bleiben.“​

Rivet seufzte enttäuscht.​

„Ich würde hier eine Woche verbringen... oder wenigstens einen Tag.“​

„Später“, versprach Ren. „Wenn wir zurückkehren.“​

Sie setzten ihren Weg fort und ließen die engen Arbeitskorridore hinter sich. Nach mehreren Blocks wichen die tristen Umgebungen einer auffallenden Pracht. Schmale Durchgänge öffneten sich zu breiten, zeremoniellen Straßen, gesäumt von prächtiger Architektur – Marmorfassaden, vergoldete Säulen, kunstvolle Frontispize, umwunden von Skulpturen. Trockene Brunnen säumten die Straße, einst funkelnd unter gewölbten Oberlichtern, nun nichts weiter als staubverstopfte Becken.​

„Wie Paläste“, murmelte Echo und sah sich um. „Aber niemand hat je hier gelebt.“​

„Sie waren nicht dafür gedacht“, antwortete Sphinx. „Das waren Warteräume. Lass jemanden glauben, er sei in etwas Göttliches eingetreten, und er wird bereitwillig in das Nächste schreiten.“​

Im Inneren der Gebäude – Leere. Elegante Bänke, Mosaikböden, Marmorsäulen. Aber kein einziges Bett, keine Küche, kein persönlicher Gegenstand. Es war für kurze Pausen gedacht, nicht für Dauer. Zeremonie, nicht Komfort.​

„Es ging um das Spektakel“, sagte Doc. „Lass sie Ehrfurcht empfinden, und sie werden aufhören, Fragen zu stellen. Weitergehen… genau im Zeitplan.“​

Die Straße öffnete sich zu einer weiten, kreisförmigen Plaza. In ihrer Mitte stand eine massive Kolonnade, groß und imposant. Darum herum schlängelte sich in spiralförmigem Abstieg eine Magnetschiene – ihre glatten, metallischen Gleise führten hinab zu einer Ankunftsplattform.​

„Hier sollten wir ankommen“, seufzte Rivet. „Wenn dieser Tunnel nicht eingestürzt wäre… Stell dir vor, wie es ausgesehen haben muss, mit Lichtern, Stimmen, Bewegung… statt Stille und Ruin.“​

„Ankunftspunkt“, nickte Sphinx. „Hier kamen sie an. Von der Oberfläche – der Oberseite von Atlantis.“​

„Und wo sie von allem befreit wurden“, murmelte Doc. „Unter dem Vorwand der ‚Reinigung‘… aber in Wirklichkeit war es eine medizinische Untersuchung. Überprüfung auf Krankheiten, auf Unvollkommenheiten.“​

Ren trat an den Rand der Plattform. Sein Blick folgte den Gleisen, wie sie sich in den Schatten darunter wanden.​

Das Team umrundete die Plattform und fand sich am Eingang einer Gasse wieder – breit, gerade und unheimlich symmetrisch.​

Es fühlte sich an wie der Pfad eines Pilgers. Zu beiden Seiten standen hohe goldene Statuen, einige angelaufen, einige von der Zeit geschwärzt. Ihre Formen waren anmutig, mythisch – Apollos, Athenas, Hermes-ähnliche Figuren. Ihre Gesichter ruhig, erleuchtet, als ob sie jeden Schritt mit göttlicher Zustimmung beobachteten.​

Weit voraus, teilweise in die Felswand selbst gehauen, erhob sich eine kolossale Struktur. Teil Tempel, Teil Berg. Ihre äußere Fassade war erweitert – verziert mit goldenen Details und hellem Stein, der schwach im biolumineszenten Licht der Pilze schimmerte, die an der Höhlendecke darüber hafteten.​

„Der Tempel der Unsterblichkeit“, sagte Ren leise.​

Niemand antwortete.​

Sie gingen schweigend weiter. Die Präsenz des Tempels drückte wie eine Last auf ihre Brust. Es fühlte sich nicht wie Erlösung an. Es fühlte sich an wie der Schlund von etwas Altem, das wartete.​

„Lasst uns weitergehen“, sagte Ren einfach. „Es gibt nichts mehr für uns in dieser toten Stadt. Aber vielleicht – nur vielleicht – finden wir die Antwort vor uns.“

Kapitel 29: Der Tempel der Unsterblichkeit

Der Aufstieg war unnatürlich.
Jede Stufe ragte höher als die vorherige empor, gemeißelt für Beine, die nicht zur menschlichen Anatomie gehörten. Diese Treppe war nicht für Sterbliche gedacht—sondern für etwas Größeres, Älteres. Jeder Schritt fühlte sich an wie ein Frevel, eine Herausforderung, die durch den Stein geflüstert wurde.

„Wer baut denn solche Stufen …“,
murmelte Rivet und stützte sich gegen den kalten Stein.

„Offenbar Menschen mit drei Metern Körpergröße“,
knurrte Doc hinter ihr.

Der Tempel ragte vor ihnen auf, seine Fassade direkt in das Felsgestein der Höhle gemeißelt. Goldadern zogen sich unter dem biolumineszenten Leuchten der nahegelegenen Pilze durch den Stein, formten heilige Symbole auf dem glatten, weißen Marmor. Der gewölbte Eingang stand weit offen und still—schwärzer als die Leere, Licht verschlingend.

Sie überschritten die Schwelle in die Stille.

Drinnen kühlte die Luft ab.
Der Boden schimmerte aus unzähligen Mosaiksteinen. Die Wände waren bedeckt mit uralten Zeichen, die pulsierend wirkten—wie das ferne Echo eines vergessenen Herzschlags. Doch aller Augen richteten sich sofort zur Decke.

Das Fresko über ihnen war kolossal.
Und es war nicht das, was sie erwartet hatten.

Keine klassische Darstellung der Evolution. Keine Affen, keine Tiere. Stattdessen zog sich eine vertikale Sequenz von unten nach oben—sechs aufsteigende Stufen, jede mit einem Symbol und einer Inschrift in einer Sprache, die zugleich archaisch und seltsam vertraut wirkte.


Flamme
„Die Ursprüngliche Flamme“

Engel
„Diener der Flamme“

Menschen
„Der Eintrittsknoten“

Übermenschen
„Die Transzendenten“

Überbewusstsein
„Der Kollektive Gipfel“ — ein Ring aus miteinander verbundenen Köpfen, an den Schläfen vereint.

Goldene Sonne
„Die Grenze aller Pfade“


Sphinx trat näher, den Blick erneut nach oben gerichtet.
In seinem Gesicht lag mehr als nur Erkenntnis—es war Ehrfurcht.

„Das ist keine Theologie“,
sagte er leise.
„Das ist eine Karte. Eine Evolutionskarte. Dieser Tempel … ist kein Ort der Anbetung. Es ist ein Labor für den Aufstieg.“

„Die Stufe des Übermenschen“,
er deutete nach oben.
„Und darüber … das Überbewusstsein. Eine kollektive Intelligenz. Ein geteiltes Bewusstsein.“

„MycoBrain“,
flüsterte er.
„Das ist kein Defekt—das ist der nächste Sprung. Ein vereinter Geist mit genug Kraft, um die letzte Stufe zu erschaffen: Singularität. Totale Freiheit. Unsterblichkeit.“

„An diesem Ort haben die Menschen nicht nur geglaubt. Sie haben sich zur Weiterentwicklung entschlossen.“

„Das dürfen wir nie vergessen“,
sagte Ren und sah jeden von ihnen eindringlich an.
„Der Preis dieser sogenannten ‚Unsterblichkeit‘ … könnte höher sein als das Leben selbst.“

Sie gingen weiter—durch die große Halle und einen sanft abfallenden Gang hinunter, der in das innerste Heiligtum des Tempels führte.

Dort, getaucht in goldenes Dämmerlicht, lag die Übergangskammer.

Die Wände waren glatt und poliert, durchzogen von schwach leuchtenden Lichtadern. Direkt voraus: ein gewaltiges Tor—gewölbt, schwarz wie Onyx, verziert mit feinen Linien und geprägten Siegeln. Gegenüber: eine goldene Struktur in Form eines Throns … oder eines Wagens.

„Sie haben sich freiwillig dort hingesetzt“,
sagte Ren, als er näher trat.
„Das Tor öffnete sich … und sie wurden hineingetragen.“

„Dann kam der Wagen zurück. Leer.“

Er starrte schweigend auf das Tor.

„Aber wohin sind sie gegangen …?“
murmelte Rivet hinter ihm.

Niemand antwortete.

Die Stille war hier tiefer.
Ehrfürchtig.
Schwanger vor Bedeutung.

Die goldene Sonne über ihnen—das letzte Symbol im Fresko—schien durch den Stein zurückzublicken. Beobachtend. Wartend. Nichts fordernd, alles versprechend.

Und hinter diesem Tor …
wartete etwas.

​Kapitel 30: Sporen

Sie standen auf einer breiten Plattform, den massiven Metalltoren gegenüber, die nur unter einem Namen aus der Mythologie bekannt waren: die Tore der Unsterblichkeit. Stille drückte auf sie wie Stein – als ob selbst die Wände die Schwere dessen verstanden, was sie bewachten.​

„Die Paneele sind... zu massiv“, murmelte Ren und fuhr mit der Hand über die kalte Oberfläche. „Man kann sie nicht durchbrechen. Weder mit bloßen Händen noch mit Sprengstoff.“

„Keine Schlösser. Keine Hebel“, fügte Echo hinzu und blinzelte gegen die Wand. „Nur massives Metall.“

„Alles wird intern gesteuert“, schloss Rivet. „Oder... über ein Energiesystem.“

„Dann müssen wir die Quelle finden“, sagte Sphinx.

Da sahen sie es – ein dicker Stromkabelstrang, halb in der Wand vergraben, der in einen Seitentunnel verschwand. Das Kabel war uralt, aber unberührt von Zeit oder myzelialer Korrosion, gefertigt aus einer Legierung, die dem Verfall trotzte. Es wirkte weniger wie hergestellt als vielmehr direkt aus den Knochen der Erde gezogen.​

„Hier entlang“, sagte Ren schlicht.

Der Tunnel führte zu einer Magnetschwebebahnlinie. Ein alter Maglev-Wagen stand untätig auf den Schienen, staubig, aber intakt.​

„Internes System“, bemerkte Echo und untersuchte die Struktur. „Wenn diese Linie versiegelt ist, haben die Bots es nie hierher geschafft. Könnte noch funktionsfähig sein.“

Rivet überprüfte die Kabine schnell. Nach einem Moment der Stille leuchtete das Bedienfeld schwach grün auf.​

„Strom ist noch vorhanden“, sagte sie. „Los geht's.“

Der Wagen setzte sich langsam in Bewegung, glitt vorwärts, als würde er von einer Erinnerung geleitet, die in die Schienen selbst eingraviert war.​

Sie passierten lange Korridore, in denen schwaches Pilzlicht durch versiegelte Beobachtungsfenster in den Wänden sickerte. Dahinter erstreckten sich weite unterirdische Felder – Türme aus biolumineszenten Pilzen, fünf, sieben Meter hoch. Dies war kein Hilfsgarten. Dies war das Herz.​

Tausende von blassgrünen Pilzen pulsierten sanft im Dämmerlicht. Das Leuchten war nicht hell – aber es erfüllte die Kammer mit einer Präsenz, wie ein Atemzug. Eine lebendige Lunge.​

Der Wagen hielt an der nächsten Station. Sie stiegen aus in die Stille.​

Die Fenster darüber waren dick, verstärkt. Und dahinter – endlose Pilzfelder.​

„Ist das... nur eine Farm?“ flüsterte Rivet.

„Wo ist das MycoBrain?“ fragte Echo verwirrt. „Sollte es nicht... hier sein? Im Zentrum?“

„Ich dachte, es wäre ein Gott-Gehirn“, sagte Sphinx langsam. „Ein Superorganismus. Milliarden menschlicher Neuronen, verschmolzen mit Myzel. Eine Schwarmintelligenz... die kollektive Unsterblichkeit.“

„Aber hier gibt es nichts außer Sporen“, sagte Ren. „Licht. Stille.“

„Vielleicht ist das Gehirn hinter den Toren“, schlug Rivet vor. „Vielleicht war dieser Ort... für die Körper.“

„Oder vielleicht“, murmelte Doc, „war das Gehirn nie ein Pilz. Was bedeutet... was ist es dann?“

Die Fahrt ging weiter. Weitere Stationen. Weitere Felder. Mehr Sporen, mehr Grün. Und dann, das zentrale Zentrum.​

Eine Tafel an der Wand, nach wer-weiß-wie-vielen Jahren noch lesbar:​

Wartungsprotokoll für elektrischen Pilz Mycophyllum electrica

Zweck:

Selbstversorgendes autonomes System.​

Der Pilz produziert Luft, Licht und Energie.​

Sauberkeit und Sicherheit:

„Es macht alles“, flüsterte Sphinx. „Luft. Licht. Energie. Und keine Sonne erforderlich.“

„Das ist es“, sagte Ren leise und tippte auf die Tafel. „Das hat den Zusammenbruch verursacht.“

„Es war niemand mehr da, um es zu warten“, sagte Rivet leise. „Vielleicht wurden sie evakuiert. Oder vielleicht haben sie es nicht geschafft.“

„Und die Sporen übernahmen“, fügte Echo hinzu. „Sogar die Roboter.“

Tiefer im Inneren der Station fanden sie das Bedienfeld – staubig, aber intakt. Die Schalter waren alle nach unten geklappt. Die meisten waren kaum lesbar.​

Rivet hebelte eine der Wartungsabdeckungen auf.​

„Das Beleuchtungssystem der Stadt – hier abgeschaltet“, sagte sie. „Das erklärt, warum es oben dunkel ist. Es waren nicht nur kaputte Bots. Und hier – die Maglev-Steuerung... auch offline.“

„Und die Verarbeitungsanlage“, murmelte Ren. „Kein Wunder, dass die Bots nie desinfiziert wurden. Sie wanderten einfach umher. Wurden zu Überträgern.“

„Sogar die Arena“, fügte Rivet hinzu. „Der ganze Sektor – von diesem Zentrum abgeschnitten. Wir sind nur zufällig hindurchgegangen.“

„Und die Tore“, schloss Doc. „Sie werden auch von hier aus mit Energie versorgt.“

Das letzte Terminal hatte ein Kommunikationsmodul. Echo schaltete es ein. Ein Signallämpchen blinkte schwach. Rauschen überflutete die Lautsprecher. Echo justierte ein Kabel, seine Finger flogen.​

„Das könnte das Relais verstärken, das ich oben gelassen habe“, sagte er. „Wenn das System noch verbunden ist... könnte das Signal durchkommen.“

Ren drückte das Mikrofon.​

„Hier ist Ren ‚Kompass‘ Wayland...“

Seine Stimme zitterte – nicht vor Angst, sondern vor dem Gewicht von allem, was hinter ihnen lag.​

„Wenn jemand das hören kann...“

Rauschen.​

„Das MycoBrain... es ist nicht das, was wir dachten...“

Mehr Rauschen. Dann, ein letzter Ausbruch:​

„Dieser Ort... wir lagen alle falsch. Atlantis – es ist nur ein Schleier. Eine Lüge...“

Das Signal brach ab. Die Übertragungslampe erlosch.​

Stille. Nichts weiter.​

Echo versuchte erneut, die Stromversorgung zu aktivieren – nichts.​

„Dann bleibt nur noch eines“, flüsterte Ren. „Wir öffnen die Tore.“

Er legte seine Hand auf den Schalter mit dem Symbol des Tores. Zog ihn nach oben.​

Das alte System stöhnte zum Leben.​

Irgendwo, tief in den Hallen der Unsterblichkeit – antwortete etwas.​

Die Tore waren bereit.

​Kapitel 31: Die Tore der Unsterblichkeit

Die Rückfahrt zog sich endlos hin. Der Magnetschwebewagen kroch wie eine Schnecke, und mehr als einmal verspürte jemand den Drang, hinauszuspringen und den Rest des Weges zu Fuß zu gehen.​

Was Alchemisten, Weise und Wissenschaftler über Jahrtausende gesucht hatten, lag nun nur noch wenige Dutzend Kilometer vor ihnen. Doch diese letzten Kilometer fühlten sich an wie die längsten ihres Lebens.​

Niemand sprach. Selbst ihr Atem schien gedämpft. Der Rhythmus ihrer Herzen hallte wie Schritte im Korridor wider.​

Sphinx wirkte blass, zitterte vor Erwartung. Immer wieder wischte er sich den Schweiß von der Stirn, als fürchtete er, vor Angst zu sterben, bevor er überhaupt die Tore der Unsterblichkeit erreichte.​

Doc überprüfte seinen Puls und reichte ihm schweigend ein Beruhigungsmittel.​

Sie fuhren eine bekannte Strecke zurück, doch nun sah alles anders aus. Selbst die Luft schien schwerer – geladen mit Erwartung.​

„Fast da“, murmelte Rivet. „Der Magnetschweber gleicht sich auf das Tempelplateau aus.“​

Ren nickte kaum merklich. Er saß vorn, die Augen auf den Tunnel gerichtet, der Körper angespannt.​

„Ich weiß nicht, was uns auf der anderen Seite erwartet“, sagte er leise. „Aber mein Instinkt… schreit wie nie zuvor.“​

„Wir sind zu weit gekommen, um jetzt umzukehren“, sagte Sphinx. „Wie oft waren wir dem Tod nur einen Atemzug entfernt? Wenn wir jetzt aufgeben… war dann alles umsonst?“​

„Nein“, sagte Doc sanft. „Aber vielleicht sollten wir uns fragen, warum der größte Schatz aller Zeiten zurückgelassen wurde. Unberührt.“​

Rivet spielte nervös mit dem Riemen ihres Handschuhs. Ihr Gesicht war ruhig, aber ihre Augen glänzten. Nicht vor Tränen – sondern vor Druck. In ihr rangen die Ingenieurin und der Mensch miteinander. Neugier und Angst. Intellekt und Instinkt.​

„Sie haben uns so oft Unsterblichkeit versprochen“, sagte sie. „Durch Mythen. Durch Wissenschaft. Durch Maschinen. Und jetzt… ist sie hier. Etwas Reales. Etwas, das wir berühren können.“​

„Oder etwas, das uns zuerst berührt“, murmelte Echo trocken.​

Der Magnetschweber bog ab und verlangsamte sich, als er die letzte Station erreichte – am Schwellenpunkt des Tempels der Unsterblichkeit.​

Die Tore leuchteten.​

Einst träge Metallflächen pulsierten nun mit einem sanften, goldenen Licht, als ob das Herz des gesamten Komplexes dahinter schlug. Intrikate Gravuren schimmerten wie Sonnenstrahlen, die von innen geworfen wurden. Die Türen waren nicht offen – aber auch nicht verschlossen. Sie… warteten.​

Daneben stand der Streitwagen.​

Sie hatten ihn zuvor gesehen – doch nun war er anders. Nicht mehr nur eine vergoldete Plattform mit Bögen und Schienen. Er rief. Ein sanftes Energiefeld schimmerte entlang seines Rahmens. Energie floss von ihm zu den Toren.​

Ein Glied in der Kette fehlte noch.​

Ein Passagier.​

„Es ist klar“, sagte Ren leise. „Alles, was wir tun müssen, ist, uns zu setzen.“​

„Und die Tore werden sich öffnen“, fügte Rivet hinzu.​

„Keine Codes. Keine Rituale. Nur Kontakt“, sagte Sphinx und schüttelte den Kopf. „Brillant. Oder erschreckend einfach.“​

Sie standen am Rand von allem. Das Plateau fühlte sich zu weit an. Die Zeit dehnte sich unerträglich. Die Luft war vollkommen still. Nur das Licht bewegte sich – sanft, konstant. Wartend.​

Ren trat vor zum Streitwagen. Er legte seine Hand auf die Reling. Das Metall war warm.​

Er schloss die Augen. Ein Schritt. Ein Atemzug. Ein Übergang – und alles, was zuvor war, würde zurückgelassen.​

Doch dann –​

Es waren Schritte.​

Gemessen. Sanft. Nicht feindlich – aber resonierend wie ein laut ausgesprochener Gedanke.​

Alle drehten sich gleichzeitig um.​

Aus der Dunkelheit des Tunnels trat eine Gestalt hervor. Hinter ihr – vier weitere. Sie gingen langsam, bedächtig. Ihre Waffen waren gesenkt.​

Sky stand nur wenige Meter entfernt – erschöpft, abgenutzt – aber standhaft. Ihre Augen glänzten nicht vor Herausforderung. Sie beobachteten mit Sorgfalt. Mit Spannung. Aber nicht mit Bedrohung.​

Hinter ihr standen Thunder. Mamba. Shade. Pixel. Die beiden Teams waren wieder vereint.​

Und dann sprach Sky.​

Die Worte hielten die Zeit an.​

„Nicht.“

Fortsetzung folgt in TOLD BY HOSPES SI. Buch 2: Wurzel des Bösen

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